Deutschlands
erster Versuch,
Englands Neu-
tralität in ei-
nem etwaigen
Kriege zu er-
langen:
Es sichert zu:
1. Integrität
des europäi-
schen Frank-
reichs.
2. Respektie-
rung der Neu-
tralität Hol-
lands.
3. Unabhän-
gigkeit Bel-
giens, selbst
wenn es in-
folge einer
französischen
Aktion zu Ope-
rationen in
Belgien kom-
men sollte.
Der Gedanke
eines allge-
mein deutsch-
englischen
Neutralitäts-
abkommens.
242 29. Juli
Der englische Botschafter in Berlin, Sir E. Goschen, an den
englischen Staatssekretär des Aeusseren, Sir Edward Grey.
Blaubuch Nr. 85.
Berlin.
Ich wurde gebeten, heute abend zum Kanzler zu kom-
men. Seine Exzellenz kam gerade aus Potsdam zurück. Er
sagte, dass, wenn Russland Oesterreich angreife, er befürchte,
dass eine europäische Konflagration unvermeidlich werde, in-
folge Deutschlands Bündnisverpflichtungen Oesterreich gegen-
über, trotz seiner fortgesetzten Bemühungen, den Frieden zu
bewahren. Dann fuhr erfort, indem er ein hohes Ange-
bot für Englands Neutralität machte, Er sagte,
soweit er den Grundzug der englischen Politik beurteilen
könne, würde England sicher niemals beiseite bleiben und
Frankreich in irgend einem Konflikt niederwerfen lassen. Das
aber wäre durchaus nicht Deutschlands Ziel.
Wenn dieenglische Neutralitätsicher wäre,
würde die britische Regierung alle Garantien erhal-
ten, dass die kaiserliche Regierung keine
territorialen Erwerbungen auf Frankreichs
Kostenanstreben würde, falls Deutschland in irgend
welchem Kriege siegreich sein sollte.
Ich iragte Seine Exzellenz über die französischen
Kolonien, und er sagte, es wäreihm unmöglich,
in dieser Hinsicht eine ähnliche Versicherung abzugeben. Was
Holland jedoch betrifit, sagte seine Exzellenz, dass, so-
lange Deutschlands Gegner die Integrität und die Neutralität
der Niederlande achten würden, Deutschland bereit sei, der
Regierung Seiner Majestät die Versicherung zu geben, dass sie
genau so verfahren werde. Es hinge von der franzö-
sischen Aktion ab, welche Operationen
Deutschland gezwungen sein könnte, in Bel-
gien vorzunehmen. Aber wenn der Krieg vorüber sei,
würde Belgiens Integrität geachtet werden, wenn Belgien sich
nicht auf die gegnerische Seite stelle.
Seine Exzellenz schloss, indem er sagte, dass, seitdem
er Kanzler sei, ıdas Ziel seiner Politik, wie Sie ja auch wüssten,
gewesen sei, zu einem guten Einvernehmen mit
England zu gelangen; er hoffe, dass diese Versiche-
rung die Basis jenes Einvernehmens, das er so sehr wünschte,
bilden möge. Er hatte ein allgemeines Neutrali-
tätsabkommen zwischen Deutschland und