Full text: Das Regenbogen-Buch - Die europäischen Kriegsverhandlungen.

Auch Mens- 
dorff gegen- 
über vertritt 
Grey Russ- 
lands Auffas- 
sung. 
252 29. Juli 
  
  
  
Der deutsche Botschafter sagte, dass Oesterreich-Un- 
garn sich kein serbisches Gebiet aneignen wolle, worauf ich 
bemerkte, dass wenn es auch kein serbisches Gebiet zu neh- 
men beabsichtige und auch Serbien dem Namen nach die Un- 
abhängigkeit lasse, Oesterreich-Ungarn Serbien politisch in 
einen Vasallenstaat verwandeln könne, was die ganze Stellung 
Russlands auf dem Balkan beeinträchtigen würde. 
Ich bemerkte, dass es unmöglich sei zu sagen, wer im 
Falle eines europäischen Konfliktes nicht mit hineingezogen 
würde. Sogar die Niederlande schienen Vorsichtsmassregeln 
zu treffen. 
Der deutsche Botschafter sagte nachdrücklich, dass ir- 
gend ein Mittel gefunden werden müsse, um den europäischen 
Frieden zu erhalten. 
Der englische Staatssekretär des Aeusseren, Sir Edward Grey, 
an den englischen Botschafter in Wien, Sir M. de Bunsen. 
Blaubuch Nr. 91. 
London. 
Der österreichisch-ungarische Botschafter teilte mir 
heute mit, dass er mir ein langes Memorandum übergeben 
wolle, welches das Verhalten Serbiens gegen Oesterreich- 
Ungarn schildere und die Notwendigkeit des österreichisch- 
ungarischen Vorgehens erkläre. 
Ich erwiderte, dass ich nicht wünsche, die zwischen 
Oesterreich-Ungarn und Serbien schwebende Frage zu disku- 
tieren. Die heutigen Nachrichten schienen mir sehr schlecht 
für den europäischen Frieden zu sein. Den Mächten sei ver- 
wehrt mitzuwirken und Oesterreich-Ungarn die Genugtuung 
zu verschaffen, die sie erlangen könnten, wenn man ihnen die 
Gelegenheit dazu böte, und der europäische Frieden sei in 
Frage gestellt. 
Graf Mensdorff sagte, dass der Krieg mit Serbien iort- 
geführt werden müsse. Oesterreich-Ungarn könne nicht 
der Notwendigkeit, immer und immer wieder zu mobilisieren, 
ausgesetzt werden, wie in den letzten Jahren. Es strebe keine 
Gebietsvergrösserung an und wünsche nur seine Interessen 
zu schützen. 
Ich sagte, dass es durchaus möglich wäre, ohne förmlich 
die Unabhängigkeit Serbiens zu vernichten oder ihm Gebiet
	        
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