30. Juli 257
gestossen sei, keinen Schritt zurückzuweichen,’) und anderer-
seits auf das Misstrauen des Petersburger Kabinetts gegen-
über den Versicherungen Oesterreich-Ungarns, dass es nur an
eine Bestrafung, nicht an eine Besitzergreifung Serbiens denke.
Herr Sasonow hat erklärt, dass es für Russland unmög-
lich sei, sich nicht bereit zu halten und nicht zu mobilisieren,
dass aber diese Vorbereitungen nicht gegen Deutschland ge-
richtet seien. Heute morgen kündet ein offizielles Communique£
an die Zeitungen an, dass « die Reservisten in einer bestimmten
Anzahl von Gouvernements zu den Fahnen gerufen worden
sind.» Wer die Zurückhaltung der russischen offiziellen Com-
muniques kennt, kann ruhig behaupten, dass
überallmobil gemacht wird.
Der deutsche Botschafter hat heute morgen erklärt, dass
er am Ende seiner seit Sonnabend ununterbrochen fortgesetz-
ten Ausgleichsbemühungen angelangt sei und dass er kaum
noch Hoffnung habe. Wie mir eben mitgeteilt wird, hat auch
der englische Botschafter sich im gleichen Sinne ausge-
sprochen. England hat letzthin einen Schiedsspruch vorge-
schlagen. Merr Sasonow antwortete : « Wir selbst haben ihn
Oesterreich-Ungarn vorgeschlagen, es hat den Vorschlag aber
zurückgewiesen.» Auf den Vorschlag einer Konferenz hat
Deutschland mit dem Vorschlage einer Verständigung zwischen
den Kabinetten geantwortet. Man möchte sich wahrhaftig fra-
gen, ob nicht alle Welt den Krieg wünscht und nur versucht,
die Kriegserklärung noch etwas hinauszuschieben, um Zeit zu
gewinnen.
England gab anfänglich zu verstehen, dass es sich nicht in
einen Konflikt hineinziehen lassen wolle. Sir George Buchanan
sprach das offen aus. Heute aberistmanin St. Pe-
tersburgfestdavonüberzeugt,iamanhatso-
gardieZusicherung,dassEngland Frankreich
beistehen wird. Dieser Beistand fällt ganz
ausserordentlich ins Gewicht und hat nicht
wenig dazu beigetragen, der Kriegspartei
Oberwasser zu verschaffen.
Die russische Regierung hat in den letzten Taxen allen
serbenfreundlichen und österreichfeindlichen Kundgebungen
freien Lauf gelassen und hat in keiner Weise versucht, sie zu
amtlicher Bericht des Königlich Belgischen Geschäftsträgers in St. Pe-
tersburg, Herrn B. de P’Escaille, über die dortige politische Lage
am 30. Juli d. J., der im Hinblick auf seine politische Bedeutung von
der Kaiserlichen Oberpostdirektion dem Auswärtigen Amte zugestellt
wurde.» Die obenstehende Uebersetzung des französischen Schreibens
ist die der «Nordd. Allgem. Zeitung» und des Wb.
?) Wien hatte indes diese Entschlossenheit aufgegeben.
Er glaubt nicht
an die russi-
sche allge-
meine Mobili-
sation, die zu
Unrecht abge-
leugnet wird.
Russland hat
die Zusiche-
rung erhalten,
dass England
sich auf seine
Seite stellen
wird.
Diese Zusiche-
rung ist für
Russlands
Kriegspolitik
entscheidend.