30. Juti 265
weiss, dass Deutschland rüstet, kann es schon aus strategi-
schen Gründen kaum vermeiden, die teilweise Mobilisation in
eine allgemeine zu verwandeln.)
Der russische Botschafter in Berlin, Swerbejew, an den russi-
schen Minister des Aeusseren, Sasonow.
Orangebuch Nr. 65.
Berlin.
Habe Ihr Telegramm vom 29. dies. erhalten und den Text
Ihres Vorschlages dem Minister des Aeusseren, den ich soeben
Bib Nr. 97. ?) Sasonow, der sich nicht mit einer deutschen Ga-
rantie über die Achtung der serbischen Integrität begnügt, der Mass-
nahmen ergreift, die nach seiner eigenen Meinung zum Kriege führen
müssen, stellt sich damit in schroffen Gegensatz zu der offiziellen Hal-
tung Grepys, der selbst bei einer Besetzung Belgrads noch Verhandlungen
über die Einstellung der militärischen Massnahmen wünscht. Deutschlands
Politik stand nie in einem derartigen Gegensatz zu Grepys Politik im
Laufe der Krisis; das hindert nicht, dass Grey Russland ungestört
seine Politik weiter befolgen lässt und gegen Deutschland auftritt.
Endlich ist noch darauf hinzuweisen, dass dieser englische Bericht
über die denkwürdige Unterredung zwischen Sasonow und Lichnowskp
in den Einzelheiten nicht ganz mit Sasonows eigenem Bericht, der oben
abgedruckt ist, übereinstimmt. Immerhin heisst es in beiden, dass Sa-
sonow auf Pourtales Bitte seine Bedingungen angab. Es ist nun selt-
sam, dass, obgleich nach Buchanans Bericht Sasonow ihm und
PalEeologue gemeinsam den Verlauf der Unterredung mit Pourtales
erzählte, Pal&ologue diese Unterredung in einem Telegramm, Gib.
Nr. 104, ganz anders darstellt. Während nach Sasonows und Buch-
nans übereinstimmenden Angaben Sasonow nur auf Pourtales dringende
Bitte seine Formel niederschrieb, erzählt Pal&ologue, er habe das aus
russischer Initiative getan. « Kaiser Nikolaus hegt so stark den Wunsch,
den Krieg zu verhindern, dass ich Ihnen in seinem Namen einen neuen
Vorschlag machen will» sagte nach Pal£ologue plötzlich Sasonow.
Dann folgt die Formel und hieran fügt Paleologue noch die Be-
hauptung: «Graf Pourtal&s versprach, diesen Vorschlag bei seiner Re-
gierung zu unterstützen», was nach Ob. 60 und Bib. 97 nicht den
Tatsachen entspricht, und den Schlussatz: «Die russische Regierung
zeigt noch einmal durch ihre Haltung, dass sie nichts unterlässt, um
den Konflikt zu vermeiden». Die Behauptung Pal&eologues, dass
es sich um einen Vorschlag im Namen des Zaren handelt, muss durch
die russischen und englischen Dokumente als schwerwiegende Un-
wahrheit erwiesen gelten. Wenn Sasonow diese Mitteilung in der
Unterredung mit Buchanan und Pal&Eologue gemacht hätte, würde Bu-
chanan diese wichtige Tatsache in seinem Telegramm an Grey nicht
verschwiegen haben, ganz davon abgesehen, dass Sasonow sie schliess-
lich selbst in seinem Telegramm erwähnt hätte. Es galt aber, in Paris
auf jede mögliche Weise die russische Politik zu entlasten. Die ge-
ringe Glaubwürdigkeit der GIb.-Dokumente ist aber damit von neuem
an einem besonders auffallenden Beispiel nachgewiesen. Seltsamer-
weise stellt später Viviani selbst, Gib. Nr. 114, diese Unterredung nicht
im Sinne Pal&ologues, sondern den russischen und englischen Angaben
entsprechend dar, desgleichen Poincar& in seinem Bib. Nr. 99 berich-
teten Gespräch mit Bertie.
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Deutschland
lehnt den
russischen
Vorschlag ab.