Full text: Das Regenbogen-Buch - Die europäischen Kriegsverhandlungen.

Grey lehnt in 
schroffster 
Weise eine 
Neutralitätser- 
klärung ah. 
Er begründet 
die Ablehnung 
mitderUUnmög- 
lichkeit, auf 
Kosten Frank- 
reichs undBel- 
giens mit 
Deutschland 
zu verhandeln. 
274 30, Juli 
  
  
Der englische Staatssekretär des Aeusseren, Sir Edward Grey, 
  
an den englischen Botschafter in Berlin, Sir E. Goschen. 
Blaubuch Nr. 101. 
  
London. 
Betreffs Ihres Telegrammes vom 29. Juli. ') 
Die Regierung Seiner Maiestät kann nicht einen Au- 
senblick lang die Vorschläge des Kanzlers, dass sie sich 
unter solchen Bedingungen zur Neutralität 
verpflichten soll, hinnehmen. 
Er verlangt von uns tatsächlich, dass wir beiseite ste- 
hen, während Frankreichs Kolonien ihm ent- 
rissen und Frankreich geschlagen würde, solange Deutsch- 
land nicht französisches Gebiet, abgesehen von den Kolonien, 
erobere. 
Vom materiellen Standpunkt aus ist ein solcher Vor- 
schlag unannehmbar, denn Frankreich könnte, ohne dass man 
ihm europäisches Gebiet nähme, so zerschmettert werden, 
dass es seine Grossmachtstellung verlöre und der deutschen 
Politik untergeordnet würde. 
Davon abgesehen wäre es eine Schande für uns, mit 
Deutschland einen Mandel zu schliessen auf Frankreichs Kosten, 
eine Schande, von der sich der gute Name dieses Landes nicht 
mehr erholen würde. 
Tatsächlich verlangt der Kanzler auch von uns alle Ver- 
pflichtungen und Interessen, die wir im Hinblick auf die bel- 
gische Neutralität haben könnten, zu verschachern. Wir 
können auch diesen Handelnicht hinnehmen. 
Nach alledem ist es unnötig zu prüfen, ob die Aussicht auf 
ein zukünftiges allgemeines Neutralitätsabkommen zwischen 
Deutschland und England genügend positive Vorteile bietet, 
um uns dafür zu entschädigen, dass wir uns 
land damit einschüchtern, dass es an Russlands und Frankreichs Seite 
treten wird, so wird Deutschland nachgeben und auch Oesterreich-Ungarn 
gezwungen sein nachzugeben. Das wäre der Friede auf Grund einer 
durch Kriegsdrohung erzielten Demütigung Deutschlands. Das war das 
einzige Friedensmittel, das Poincare sah, an Stelle einer Einwirkung 
in St. Petersburg. Und darüber war er sich doch auch offenbar klar, 
dass die Einschüchterung misslingen konnte und damit der Krieg un- 
vermeidlich sein musste. Es kam Poincare also nicht auf eine Friedens- 
aktion an, sondern auf eine Niederringung Deutschlands, zunächst durch 
das gewagte diplomatische Mittel einer englisch-französisch-russischen 
Kriegsdrohung, dann, misslang dieses, wie vorauszusehen war, durch 
die durch solche Solidarität in der Drohung festgelegte englisch-fran- 
zösisch-russische Kriegsallianz auf dem Schlachtfelde. 
Blb. Nr. 101. ') Bib. 85, Goschens Telegramm über die Unter- 
haltung mit dem Reichskanzler über Englands Neutralität.
	        
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