30. Juli 277
Sollte sich Oesterreich-Ungarn nach seiner Besetzung
Belgrads und des benachbarten serbischen Gebietes bereit er-
klären, im Interesse des europäischen Friedens sein Vorrücken
einzustellen und über die Mittel, wie ein vollständiges Ueber-
einkommen zu erreichen wäre, zu verhandeln, so hoffe ich,
dass Russland auch einwilligt, zu verhandeln und mit seinen
militärischen Massnahmen innezuhalten, wenn die andern das-
selbe tun.
Es ist dies nur eine schwache Aussicht, den Frieden zu
erhalten, aber die einzige, dieich sehe, wenn der
russische Minister des Aeusseren sich mit Berlin nicht verstän-
digen kann. Teilen Sie dem Minister des Aeusseren dies mit. °)
Der französische Botschafter in London, Paul Cambon, an
den französischen Ministerpräsidenten und Minister des
Aeusseren, Viviani.
Gelbbuch Nr. 108.
London.
Fürst Lichnowsky hat keine Antwort auf die Aufiorde-
rung überbracht, die Sir E. Grey gestern an ihn richtete, um
von der deutschen Regierung eine Formel für die Intervention
der vier Mächte im Interesse des Friedens zu erlangen. Aber
mein deutscher Kollege befragte den Staatssekretär des Aeus-
seren über die militärischen Vorbereitungen Englands.')
Sir E. Grey antwortet ihm, dass sie keinerlei offensiven
Charakter hätten, dass es aber bei dem gegenwärtigen Stand
der Angelegenheit auf dem Festlande natürlich sei, einige Vor-
sichtsmassregeln zu ergreifen; dass man in England wie in
Frankreich die Erhaltung des Friedens wünsche, und dass,
wenn man in England wie in Frankreich Defensivmassregeln
ins Auge fasse, das nicht zum Zwecke einer Vorbereitung einer
Aggression geschehe.
Bib.Nr. 103. ?) Hier ist wieder der Beweis erbracht, dass Deutsch-
land völligEnglands Anregungen zu denseinenmacht. Es kann kein Zweifel
darüber bestehen, dass Vesterreich-Ungarn sich hiermit auch zufrieden
gegeben hätte. Wenn Russland diesen Vorschlag ablehnte und hin-
fällig machte, indem es zur allgemeinen Mobilmachung schritt, war
England verpflichtet, sich von Russland zurückzuziehen, umsomehr als
Grey ga diesem Vorschlag das «einzige» Mittel erkannte, den Frieden
zu erhalten.
Gib. Nr. 108. ') Das stimmt durchaus nicht, wie die vorher
gehenden Stellen des Bib. beweisen.
Grey meint,
dass dieser
Vorschlag
Russland zur
Einstellung
der niilitäri-
schen Mass-
regeln bestim-
men muss, und
ändert die rus-
sische Formel
dementspre-
chend ab.