Deutschland
kündigt in
St. Petersburg
seine eigene
Mobilmachune
an, für den Fall
Russland die
seine nicht in
zwölf Stunden
einstellt.
306 31. Juti
Der deutsche Reichskanzler, von Bethmann Hollweg, an den
deutschen Botschafter in St. Petersburg, Graf Pourtales.
Weissbuch, Anlage 24.
Berlin.
Trotz noch schwebender Vermittlungsverhandlungen
undobwohlwirselbstbis zur Stunde keiner-
lei Mobilmachungsmassnahmen zgetroiien
haben, hat Russland die ganze Armee und Flotte, also
auch gegen uns, mobilisiert. Durch diese russischen Massnah-
men sind wir gezwungen worden, zur Sicherung des Reichs
die drohende Kriegsgefiahr auszusprechen,
die noch nicht Mobilisierung bedeutet. Die
Mobilisierung muss aber folgen, falls nicht
Russland binnen zwölf Stunden jede Kriegs-
massnahme gegen uns und Oesterreich-Un-
searn einstellt und uns hierüber bestimmte
Erklärung abgibt. Bitte dies sofort Herrn Sasonow
mitteilen und Stunde der Mitteilung drahten. ')
Wb. Anlage 24. ') Die in diesem Telegramm angeordnete
Demarche in St. Petersburg stellten die Dreiverbandsregierungen als
den Ausgangspunkt des Krieges hin. Mit dieser Demarche habe Deutsch-
land den «Erfolg versprechenden» europäischen und insbesondere
österreichisch-russischen Verhandlungen ein Ende bereitet und Russ-
land, das einer derartigen Aufforderung nicht Folge leisten konnte,
keine andere Wahl gelassen als den ihm von Deutschland aufgezwun-
genen Krieg hinzunehmen. Es würde zur Kennzeichnung dieser gar
zu roh gezimmerten Beweisführung genügen, darauf hinzuweisen, dass
nicht eine deutsche Aufforderung zur Entmobilisierung als Ausgangs-
punkt des Krieges gelten kann, sondern erst die allgemeine Mobil-
machung Russlands. Nicht die deutsche Demarche konnte die Ver-
handlungen zerstören, sondern die durch nichts gerechtfertigte allge-
meine Mobilmachung Russlands. Da aber auf diese Feststellung die
Dreiverbandsdiplomatie stets mit der Berufung auf das Zarentele-
gramm antwortet, in dem Kaiser Nikolaus versprach, seine Truppen
vorläufig nicht die Grenze überschreiten zu lassen, ist es nötig, hier
noch einmal darauf hinzuweisen, was die russische Mobilmachung be-
deutete und die an und für sich bereits selbstverständliche Tatsache
hervorzuheben, dass keinerlei Versprechen des Zaren der russischen
allgemeinen Mobilmachung ihren unzweifelhaften Charakter eines casus
belli, der schwersten Bedrohung des deutschen Nachbarlandes nehmen
konnte. Einen solchen Charakter hat ohnehin schon jede allgemeine
Mobilmachung. Wie sehr aber gerade die russische allgemeine Mobil-
machung diesen Charakter hatte, geht zur Genüge aus den vorher-
gehenden Dokumenten dieser Sammlung hervor. Hier sei nur noch
einmal an die wichtigsten erinnert: Bilb. Nr. 17: Am 25. Juli erklärt
Buchanan in Petersburg, dass Russland nicht mobilisieren dürfe, weil
dann Deutschland sofort den Krieg erklären müsse. Am gleichen
Tage aber beschloss der russische Ministerrat unter dem Vorsitz
des Zaren die Mobilmachung, Wb. Anlage 23a. Bib. 43: von Ja-
gow erklärt am 27. Juli, dass wenn Russland mobil mache, Deutsch-