Full text: Das Regenbogen-Buch - Die europäischen Kriegsverhandlungen.

336 1. August 
  
  
Der deutsche Botschafter in London, Fürst Lichnowsky, an 
  
den deutschen Reichskanzler, von Bethmann Hollweg. 
Neuausgabe des Weissbuches, Abschnitt 6. 1. 
London. 
.... Der Privatsekretär Sir Edward Greys war eben 
bei mir, um mir zu sagen, der Minister wolle mir 
Vorschläge für (die Neutralität Englands 
machen, selbst für den Fall, dass wir mit 
Russland wie mit Frankreich Krieg hätten. 
Ich sehe Sir Edward Grey heute nachmittag und werde so- 
fort berichten. 
  
Der deutsche Botschafter in London, Fürst Lichnowsky, an 
  
den deutschen Reichskanzler, von Bethmann Hollweg. 
Neuausgabe des Weissbuches, Abschnitt 6. II. 
London. 
Sir Edward Grey las mir soeben die nachstehende Er- 
klärung vor, die vom Kabinett einstimmig gefasst worden war: 
«Die Antwort der deutschen Regierung bezüglich (der 
Neutralität Belgiens ist ungemein bedauerlich, weil die Neu- 
  
war, den Ministerrat zum Kriege zu bestimmen. In diesem Falle wäre 
es natürlich sehr unwahrscheinlich, dass Grey diese Anregung ohne 
Frankreichs Wissen gemacht hat. Es ist aber auch nicht unmöglich, 
dass Grey diesen Vorschlag nur machte, um Deutschland noch eine 
Weile im Zweifel darüber zu lassen, dass England zum Kriege ent- 
schlossen war. Nachdem England es abgelehnt hatte, neutral zu 
bleiben, falls Deutschland Belgiens Neutralität achtete und nach einem 
Siege über Frankreich das europäische und koloniale Gebiet Frank- 
reichs unangetastet liesse, bestand ja in der Tat kein Zweifel mehr 
über Englands Absicht. Da ist es sehr wohi denkbar, dass Grey mit 
dieser Anregung, die er, sobald er seiner Sache sicher war, wieder 
fallen lassen konnte, noch eine Weile den Eindruck erwecken wollte, 
als bemühe er sich weiter um die Erhaltung des Friedens. Wie dem 
aber auch sei, das Wesentliche an dieser Grepschen Anfrage ist, dass 
Deutschland sofort auf sie einging. Aus diesen Dokumenten 
geht in der Tat hervor, dass Lichnowskp spontan die Einwilligung 
Deutschlands zusicherte und dass der Reichskanzler und schliesslich 
selbst der Deutsche Kaiser sich ohne weiteres bereit erklärten, der 
Anregung Folge zu leisten. Wenn aber selbst diese Dokumente Greps 
Politik und Frankreichs Entschlossenheit zum Kriege nicht ganz klar 
beleuchten können, sondern nur wieder ihre unleugbare Zwiespaltig- 
keit dartun, so drücken sie entschieden eines mit hellster Klarheit 
aus: Deutschland, von dem Viviani sagte, es habe die ganze öster- 
reichisch-serbisch-russisch-deutsche Kriegsverwicklung nur als Mittel 
zum Zwecke geschaffen, zum Zwecke eines Krieges gegen Frank-
	        
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