356 4. August
4. AUGUST
Die französische Regierung an die Vertreter der Grossmächte
in Paris.
Gelbbuch Nr. 157.
Paris.
Die französi- Nachdem die deutsche Reichsregierung ihre Streitmacht
scne erle- . . . .
rung über die die Grenze überschreiten und verschiedene Mordtaten und
Kriegserklä- . .. : . . m
rung Deutsch- Flünderungen ausführen liess, nachdem sie die Neutralität des
lands. Grossherzogtums Luxemburg verletzt hat trotz der Beschlüsse
der Londoner Konvention vom 11. Mai 1867 und der V. Haager
Konvention vom 18. Oktober 1907 über die Rechte und Pflichten
der Mächte und Personen im Falle des Landkrieges (Artikel I
und II), die sie unterzeichnet hat; nachdem sie an die könig-
lich belgische Regierung ein Ultimatum gerichtet hat mit der
Forderung, den Durchmarsch (der deutschen Truppen durch
das belgische Gebiet zuzulassen, in Verletzung der Verträge
vom 19. April 1839, die sie gleichfalls unterzeichnet hat, und
in Verletzung der angeführten Haager Konvention,
erklärte sie an Frankreich am 3. August 1914, um
6 Uhr 45, den Krieg.')
Gib. Nr. 157. 1) Es ist kaum nötig, darauf hinzuweisen, dass
diese Aufzählung rein tendenziös ist und vor der Geschichte der Krisis
nicht standhält. Eine aufrichtige Aufzählung der zur deutschen Kriegs-
erklärung führenden Ereignisse müsste lauten:
Nachdem die deutsche Regierung auf ihre Aufforderung an
Russland, die allgemeine Mobilmachung einzustellen, keine Antwort
erhalten hatte, erklärte sie Russland den Krieg. Gleichzeitig fragte
sie die französische Regierung, welche Haltung Frankreich einnehmen
würde. Die französische Regierung liess keinen Zweifel darüber be-
stehen, dass sie Russland mit der gesamten Waffenmacht unterstützen
würde und ordnete die allgemeine Mobilmachung an. Nachdem jeder
Versuch, Frankreichs Neutralität zu erlangen, fehlgeschlagen war, er-
klärte Deutschland den Krieg.
Die Einreihung der Verletzung der luxemburgischen Neutrali-
tät und der Ueberreichung des Ultimatums in Brüssel in die Vorge-
schichte des deutsch-französischen Krieges ist natürlich ein Unding.
Beide Ereignisse fanden nach dem Ausbruch des deutsch-russischen