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erklärte sich bereit, die Garantie dafür zu übernehmen, dass
Oesterreich-Ungarn diese Verpflichtung innehalten werde.
Die Wiener Regierung milderte den Sinn der von Serbien
und Russland beanstandeten Punkte des Ultimatums in einer
Weise, die durchaus annehmbar war. Sie versuchte die
Krisis für eine allgemeine Besserung der Beziehungen
mit Russland auszunutzen, trat bereitwillig in Verhandlungen
mit Russland ein, dem in weitgehendster Weise alle wün-
schenswerten Erklärungen abgegeben wurden. Sie war
schliesslich bereit, die Note selbst mit Russland zu be-
sprechen, trotz der militärischen Bedrohung durch die rus-
sische Teilmobilmachung.‘) Liess sich Oesterreich neben die-
sen unverkennbaren Friedensbemühungen eine Handlung zu
schulden kommen, die den Krieg herbeiführen konnte? Es
lehnte die Fristverlängerung ab, klagt der Dreiverband. Das
ist richtig, aber nur Serbien gegenüber. Oesterreich-Ungarn
‚erklärte sich dagegen den Mächten gegenüber bereit, auch
nach Fristablauf für eine Beilegung des Zwistes zu wirken. ?)
Tatsächlich war die Frist am 25. abgelaufen und wurde der
‚Krieg erst am 28. erklärt, nachdem Serbien und Russland
diese erneute Frist ungenützt hatten verstreichen lassen.
Mit der Ablehnung der Konferenzidee, mit der die Dreiver-
bandsregierungen Oesterreich-Ungarns und Deutschlands
Kriegswillen beweisen wollen, stand, wie gesagt, Oester-
reich-Ungarn nicht allein. Russland hielt diese Idee eben-
falls für unzweckmässig und England machte keinen Anstand,
sich diesem Gesichtspunkt anzuschliessen. Worin bestand
‚also die aggressive Politik der Monarchie ? Vielleicht in dem
Vorgehen gegen Serbien? Dieses Vorgehen war aber durch
Serbiens Haltung bedingt worden und wurde mit allen
Vorsichtsmassregeln, mit allen Möglichkeiten einer euro-
päischen Verständigung umgeben. Es war nicht Oester-
reich-Ungarns Schuld, wenn Serbien, durch den Dreiverband
unterstützt, den Österreichisch-serbischen Krieg unvermeid-
lich machte und wenn Russland, durch Frankreich und England
ermuntert, keine Verständigung mit Oesterreich-Ungarn wollte.
') Siehe u. a. die in den Fussnoten S. 383 angeführten Stücke.
”) Rb. Nr. 17, Bib. Nr. 14.