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Kein Staat endlich tat mehr für die Aufrechterhaltung des
Friedens als Deutschland. Es sah die ganze Gefahr vor-
aus. Es legte die Basis für die Aufrechterhaltung des Frie-
dens, indem es das Lokalisationsprinzip verfocht. Es trat
nicht als Bundesgenosse Oesterreich-Ungarns in die Arena,
sondern stellte sich von der ersten Stunde an auf einen rein
europäischen Standpunkt, den Standpunkt einer europäischen
Kulturgemeinschaft, die unterschiedslos Oesterreich-Ungarns
Rolle als Vertreter staatlicher Ordnung und staatlicher Moral
in seinen Forderungen an Serbien billigen müsse.') Es war
nicht Deutschlands Schuld, wenn Frankreich und England
sich nicht zu diesem hohen Standpunkt aufschwingen konnten,
sondern sogleich die Situation unter dem Gesichtswinkel
ihrer politischen Interessen und Bestrebungen betrachteten.
Als es nicht mehr möglich war, den Streitfall als streng
österreichisch-serbischen zu betrachten, als Deutschland
wegen der Verfechtung dieses Grundsatzes von allen
Seiten angefeindet wurde, übernahm es entschlossen die
Rolle des Vermittlers zwischen Russland und der Donau-
monarchie. Es veranlasste Oesterreich-Ungarn nicht nur zu
seinen wichtigen Zugeständnissen, es gab ihnen dem Miss-
trauen Russlands gegenüber durch die Verpflichtung, ihre
Durchführung persönlich zu gewährleisten, einen bedeut-
samen Wert. Der Deutsche Kaiser selbst trat auf den Plan
und legte Russland dar, dass es auf jeden Fall abwarten
könne, da nichts Russland zwinge, sogleich einzugreifen
und die Aussicht auf Erhaltung des Friedens damit zu zer-
stören. Und neben den Bemühungen in Wien arbeitete die
deutsche Diplomatie in Paris im Sinne eines europäischen
Zusammengehens zwischen Deutschland und Frankreich, und
in London im Sinne einer unparteiischen Vermittlung der
englischen Diplomatie. In Petersburg endlich musste die
deutsche Diplomatie ihre höchsten und entscheidenden An-
strengungen anwenden, und das allein durch Russlands
Schuld. Es kann nicht Deutschland zur Last gelegt werden,
wenn es immer wieder Russland vor militärischen Mass-
nahmen warnen musste und wenn Russland diese Warnungen in
!) Wb. Anl. 1, 3, 10, 20, Ob. Nr. 18, Bib. Nr. 25, Gib. Nr. 36.