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den Wind schlug. Es ist nicht Deutschlands Schuld, wenn.
das Schwergewicht der europäischen Unterhandlungen, das
zuerst in Wien und St. Petersburg geruht, nun nach Berlin
und St. Petersburg glitt. Jetzt galt es nicht mehr, Oester-
reich-Ungarn zum Nachgeben zu veranlassen. Oesterreich-
Ungarn hatte nachgegeben. Es galt, Russland daran zu hin-
dern, ohne Grund sein gesamtes Heer zu mobilisieren.
Russland mobilisierte, derweil es diese Massnahme ableug-
nete, und der Krieg brach los.')
Mit dem Augenblicke, da es immer deutlicher wurde,
dass der Schlüssel zu Russlands Haltung in London lag,
verdoppelte Deutschland seine Bemühungen, England zur
Aufrechterhaltung des Friedens zu bewegen. Als Deutsch-
land erkannte, dass England gesonnen war, aus der euro-
päischen Krisis, die es hatte anwachsen lassen, Nutzen zu
ziehen, um mit der stärksten Koalition, die je die Welt ge-
sehen, Deutschland zu bekriegen, versuchte die Berliner
Regierung England davon zu überzeugen, dass auch auf
friedlichem Wege seine Interessen gewahrt bleiben würden.
Es regte an, Frankreichs Zukunft im Falle eines Sieges
Deutschlands und auch Belgiens Zukunft sicher zu stellen.
In einem Worte Deutschland verpflichtete sich, den Status
Quo Westeuropas nicht anzutasten, selbst im Falle eines
Sieges, ohne dass natürlich Frankreich eine entsprechende
Verpflichtung einging.”) Die Geschichte kennt kein Beispiel
für ein gleiches ungeheures Zugeständnis. Endlich ergriff
die deutsche Regierung die letzte Gelegenheit, die sich zur
Vermeidung des Krieges oder zu seiner Beschränkung bot:
Es verpflichtete sich, Belgiens Neutralität nicht anzutasten
und auch die bereits an der Westgrenze gegen Frankreich
angesammelten deutschen Truppen zurückzuziehen, wenn
— in dem einen Falle — England neutral bliebe, — in dem:
anderen — die Neutralität Frankreichs garantiere. Es war
'!) Hier müsste das gesamte Wb. und das ganze Rb. zitiert
werden. Wir begnügen uns, an die wichtigsten Belege der Dreiver-
bandsakten zu erinnern: Bib. Nr. 25, 34, 43, 46, 71, 75, 77, 97, 98,
11, 138, Ob. Nr. 49, 60, Gib. Nr. 56, 57, 74, 78, Neuausg. d. Wb.
bschn. 4.
*") Bib. Nr. 85.