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Atmosphäre, die die Verhandlungen umgab, auch dem nach-
prüfenden Leser zu vermitteln. Aber sie ist doch nicht stark
genug, um die wahren Vorgänge dem aufmerksamen Blick
zu verbergen. All dies zeigt aber auch, wie sehr gerade
bei dem Blaubuch eine sorgfältige und treue Uebersetzung
vonnöten ist. Eine tendenziöse Uebersetzung kann ohne
Schwierigkeit in Fälschung ausarten. Die englische Regie-
rung hat eine offizielle französische Uebersetzung an-
fertigen lassen, die in London selbst und eine offizielle
deutsche Uebersetzung, die in Bern erschien. Auf diese
deutsche Uebertragung wird in den Anmerkungen öfters
hinzuweisen sein. Sie ist entweder eine leichtfertige, naiv
den Sinn verschiebende Uebersetzung, von der man nicht
weiss, ob der Verfasser kein Englisch oder kein Deutsch
kannte, oder eine berechnend den Urtext verschiebende Ar-
beit. Der Verfasser der im vorliegenden Bande enthaltenen
Uebersetzung, die sich, wo irgend möglich, an die amtliche
Uebersetzung hielt, neigt nach genauer Prüfung der Texte
der zweiten Auffassung hin.
Als dritte am Kriege beteiligte Grossmacht trat Russ-
land mit einem Orangebuch auf den Plan, das in einer
russischen und einer französischen Ausgabe erschien. Die
französische Ausgabe führt den Titel: «Ministerium des
Aeusseren — Sammlung diplomatischer Dokumente. Ver-
handlungen vor dem Kriege. 10./23. Juli — 24. Juli/6. Au-
gust 1914.» Ausserdem gab die englische Regierung das
Orangebuch in einer zweisprachigen Ausgabe (französisch
und englisch) heraus, und liess sie im Oktober 1914 an die Par-
lamentsmitglieder verteilen. Sie führt den Titel « Dokumente
über die dem Kriege vorangehenden Verhandlungen, ver-
öffentlicht von der russischen Regierung».
Das russische Orangebuch enthält 79 Stücke, die, wie
gesagt, vom 23. Juli, dem Tage der Ueberreichung des
österreichisch-ungarischen Ultimatums an Serbien, bis zu
der österreichisch-ungarischen Kriegserklärung an Russland,
den 6. August 1914, reichen. Es muss aber, trotzdem es
mehr Stücke enthält als das alte deutsche Weissbuch,
als die knappste der Veröffentlichungen der Grossmächte