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um dann, als Russland auf den Plan trat, völlig abzu-
schwenken. Das Gelbbuch befindet sich hier in auffallendem
Widerspruch zu dem Rotbuch.
Was den deutsch-österreichischen diplomatischen Ver-
kehr betrifft, so bestätigt das Rotbuch alles, was im deut-
schen Weissbuch gesagt wurde. Es enthält Akten, aus denen
hervorgeht, dass Deutschland sich lebhaft in Wien im Sinne
einer gemässigten und versöhnlichen Politik bemühte, leb-
hafter als es dem Ministerium des Aeusseren der Monarchie
erwünscht war. Es enthält Akten, aus denen sich ergibt, dass
die Vorhaltungen Deutschlands in St. Petersburg im strikten
Einverständnis mit Oesterreich-Ungarn gemacht wurden. Es
lässt entnehmen, dass die österreichisch-ungarischen und die
deutschen Botschafter stets in engem Verkehr miteinander
standen, bietet aber keinen Anhaltspunkt für ein darüber-
hinausgehendes Zusammengehen der beiden verbündeten
Regierungen, keinen Anhaltspunkt für die Vermutung, dass
die Aktion gegen Serbien mit Deutschland vorher beraten
worden war.
Das Rotbuch schliesst seine Akten über die Kriegs-
verhandlungen natürlich nicht mit dem Kriegsausbruch zwi-
schen Deutschland und den Dreiverbandsmächten ab. Die
österreichisch-ungarische Kriegserklärung an Russland er-
folgte erst am 6. August, die Kriegserklärungen Frankreichs
und Englands an Oesterreich erst am 12. August. Der
Kriegszustand zwischen Oesterreich-Ungarn und Belgien
wurde erst am 22. August hergestellt. Das Aktenmaterial
über diese formelle Ausdehnung des Krieges und schliess-
lich über die Beteiligung Oesterreich-Ungarns am deutsch-
japanischen Kriege bildet den letzten Teil des Rotbuches.
Das Rotbuch enthält nur recht wenige Akten über die
allgemeine Krisis, d.h. es wirft nur spärliche Lichter auf die
Verhandlungen zwischen Deutschland und den Dreiverbands-
mächten. Aber die massgebenden Verhandlungen dieser
Staaten mit der Doppelmonarchie sind umso klarer, schärfer
und auch überzeugender dargestellt. Vor allem sind die Do-
kumente, die das österreichisch-serbische Problem behandeln,
von grosser Beweiskraft. Die Rotbuchakten widerlegen ent-