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Nach diesen kurzen Angaben wird es nur natürlich
erscheinen, dass das serbische Blaubuch im Grossen und
Ganzen den Eindruck der Aufrichtigkeit macht. Denn es
spricht deutlich und klar das Wesen der serbischen
Politik während der kritischen Zeit aus: Serbien denkt nicht
daran, sich irgendwie zu demütigen. Serbien sieht in Oester-
reich seinen Feind, den Erbfeind, dem es nur gezwungen
nachgeben würde. Ein solcher Zwang besteht aber nicht.
Die Hilfe Russlands ist sicher. Und mit Russlands und des
Dreiverbandes Hilfe kann ein österreichisch-serbischer Krieg
nur die Verwirklichung der serbischen Träume bringen, die
eine Unterwerfung Serbiens endgültig begraben würde. Nichts
ist begreiflicher vom rein serbischen Standpunkte als diese
Haltung. Es war nicht Serbiens Aufgabe, den europäischen
Frieden zu erhalten. Wenn das serbische Blaubuch keine
Beweise für serbische Friedensbemühungen bringt, Keine
Beweise serbischer Nachgiebigkeit, so belastet das nicht
Serbien. Es entlastet einfach Oesterreich-Ungarn und belastet
jene, die für Serbiens Haltung verantwortlich waren.
Bietet das serbische Blaubuch vor allem Material für
die erste Phase der europäischen Kriegsverhandlungen, so
kommt das belgische Graubuch — «Diplomatische Korres-
pondenz des Ministeriums des Aeusseren des Königreichs
Belgiens über den Krieg 1914> — nur für die letzte Phase
in Betracht. Es enthält zwar 79 Stücke, die mit dem 24. Juli
beginnen und bis zum 29. August gehen. Doch es veröf-
fentlicht mit wenigen Ausnahmen keine Akten, die irgend-
wie Aufschluss über den Ausbruch und die erste Entwick-
lung der europäischen Krisis geben Könnten. Es bringt wie
alle sieben Aktensammlungen die österreichisch-ungarische
Note an Serbien und die serbische Antwort, und auch kurze
Telegramme der serbischen Gesandten über die markantesten
Ereignisse. Im Uebrigen jedoch drehen sich naturgemäss
alle Akten ausschliesslich um die Frage der belgischen Neu-
tralität. Sie bestehen aus Mitteilungen des Ministers des Aeus-
seren, Versicherungen, dass Belgien seine Neutralität aufrecht
erhalten will, Erklärungen Frankreichs und Deutschlands,
Anlagen aus den Vorjahren, die Deutschlands Willen, die