Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

J. Der Verlauf des Krieges 3 
von Sperrforts verbundene Waffenplätze von Belfort bis Verdun schließen 
die Grenze gegen Deutschland ab. Mur zwischen Toul und Epinal blieb 
eine für eine Offensive bestimmte Lücke. Im Torden fühlte man sich durch 
das neutrale Belgien gesichert und beschränkte sich auf die Instandhaltung 
älterer Kestungen. Frankreich hat niemals auf einen im Verein mit England 
durch Belgien und Luxemburg zu führenden Angriff verzichtet. 1870 ver- 
mochte das französische Grenzbefestigungsspstem die deutschen Heere nicht 
am Einrücken zu bindern, schwache Abzweigungen genügten zunächst zur 
Unschädlichmachung der Festungen durch Einschließung. Belgien aber wahrte 
seine Meutralität und durfte auf Englands Unterstützung rechnen. Auch 
damals sah England Belgien als Teil seines Machtbereiches an, indessen 
noch im Gegensatz zu Frankreich. Dieser geschichtliche Gegensatz glich sich jetzt 
aus, weil Frankreich in blindem Zachegefühle gegen den Sieger Deutsch- 
land sich dem Erbfeind England unterordnete, das aus wirtschaftlichen 
Gründen allmählich unser erbittertster Gegner und schließlich der wahre 
Erreger dieses Krieges wurde. Die Neutralität Belgiens gestaltete sich zur 
Maske für einen gemeinsamen Angriff auf Deutschland. Wir wissen jetzt 
aus den Archiven Belgiens, wie dieser Staat durch geheime Vereinbarungen 
seine Meutralität preisgegeben hatte. Auf den englisch-französischen Hlan, 
durch Belgien angriffsweise vorzugehen, wies schon der von England 
und Frankreich beeinflußte Ausbau des belgischen Befestigungsspstems hin. 
Die großartige Befestigung von Antwerpen, dessen Hafen einst TWapoleon 
für Kriegszwecke ausgebaut hatte als eine „immerfort auf Englands 
Brust gerichtete Histole“, war von vornherein als Kernpunkt der Landes- 
verteidigung und Gufluchtsort für das zurückweichende Heer gedacht; die 
Maasfestungen LTüttich und Mamur wurden aber erst in neuerer Seit zu 
Stützpunkten für eine Offensive nach Deutschland hinein ausgebaut. Belgien 
wurde zum englischen Brückenkopf und gleichzeitig zu einem Schutzwerke 
für einen französischen Dormarsch. In Moltkeschem Sinne hatte Deutschland 
andauernd mehr für die erstärkung seines Heeres als für die Befestigung 
seiner Grenzen getan. Die Absicht des Gegners konnte daher nur durch 
einen Gegenstoß verhindert werden. Mit Rücksicht auf Rußland war Eile 
geboten, also Dormarsch der Hauptkräfte in breiter Entwicklung durch Belgien 
und Luxemburg gegen die französische Tordfront, BZeschränkung auf Beob- 
achtung gegenüber dem östlichen Sperrfortgürtel, Angriff dort zunächst nur 
in der Richtung auf die Lücke zwischen Toul und Epinal. Dadurch und durch 
die seit 1870 veränderte Gestaltung unserer Grenze, sowie durch die mächtig 
angewachsene Heeresstärke erklärt sich der grundlegende Unterschied gegen 
den von Moltke seinerzeit durchgeführten Hlan: Dersammlung der Haupt- 
kräfte in und unmittelbar nördlich der Hfalz zum Einmarsch in Frankreich. 
Eine Dergewaltigung der neutralen LTänder war nicht beabsichtigt, aber 
der Dersuch, sie unter völliger Achtung ihrer Selbständigkeit gütlich zum Ein- 
verständnis zu einem Durchmarsche zu bewegen, gelang nur bei Luxemburg, 
Belgien stellte sich jetzt offen auf die Seite unserer Feinde.
	        
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