Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

IV. Kriegswirtschaft 150 
daß der Ausführung übermähige, vielleicht unüberwindliche Schwierigkeiten 
entgegenstehen. Die Abforderung der Kartoffelvorräte des Erzeugers stößt 
auf das Bedenken, daß einerseits für die außerordentlichen Mengen, um 
die es sich handelt, Lagerräume nicht zur Derfügung stehen und anderseits 
jede Lagerung der Kartoffeln, die von der bewährten Aufbewahrung durch 
Einmietung beim Erzeuger abweicht, für die Ware große Gefahren in sich 
birgt und sicher den Derderb bedeutender Mengen herbeiführen würde. Die 
Herhältusse liegen eben wesentlich anders wie bei Getreide, für das in den 
zahlreichen Getreidespeichern, ganz besonders aber bei den Mühlen, aus- 
reichende Lagerungsgelegenheit gegeben ist, und bei dem vieljährige Erfahrung 
bewiesen hat, daß bei sachgemäßer Lagerung und regelmäßiger Bearbeitung 
der Dorräte die Gefahr des Derderbs nabezu ausgeschlossen werden kann. 
Werden die Kartoffeln aber beim Erzeuger belassen und wird ihm die Der- 
pflichtung auferlegt, sie bis auf den genau bestimmten Teil, der ihm zur 
VDerwendung in der eignen Wirtschaft freigegeben wird, zur Derfügung 
im Interesse der Allgemeinheit zu halten, so fehlt es an staatlichen Macht- 
mitteln, durch welche die Einhaltung dieser Derpflichtung und ferner auch 
die pflegliche Behandlung der zu verwahrenden Bestände gesichert werden 
kann. Da am kartoffelanbau gerade die kleinen und kleinsten Wirtschaften 
in hervorragendem Umfange beteiligt sind, wäre eine so große Sahl von 
Betrieben fortgesetzter Uberwachung zu unterwerfen, daß nicht abzusehen 
ist, woher das hierzu erforderliche Hersonal genommen werden sollte. 
Schließlich würde aber auch alle Uberwachung der Ware nicht hinreichen, 
ihren Bestand zu sichern, wenn der verärgerte Besitzer es an der nötigen 
Sorgfalt, zu der er nicht gezwungen werden kann, fehlen ließe. 
Mußte biernach von einer allgemeinen Beschlagnahme der Kartoffeln ab- 
gesehen werden, so blieb nur übrig, die Dersorgung der Bevölkerung durch 
Einzelmaßregeln einigermaßen zu gewährleisten. Man hat hierbei nicht immer 
eine glückliche Hand gehabt. Mit dem Dorgehen wurde äfter gewechselt, 
und die zahlreichen zur Regelung des Derkehrs mit Kartoffeln getroffenen 
Anordnungen haben große Unsicherheit hervorgerufen und zu viel Unzu- 
friedenheit Anlaß gegeben. Erst durch die letzte Regelung vom 2. Februar 
lolé ist die Kartoffelversorgung auf Grundlagen gestellt worden, die sich 
zu bewähren scheinen. Danach ist die Derpflichtung, die für die Ernährung 
der Bevölkerung bis zur nächsten Ernte erforderlichen Mengen von Speise- 
kartoffeln zu beschaffen, den Kommunalverbänden auferlegt, die zugleich 
eine Dersorgungsregelung innerhalb ihres Bezirks einzuführen haben. 
Kommunalverbände, denen die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen 
Bestände nicht zur Derfügung stehen, haben ihren Feblbedarf der bereits 
früher geschaffenen Reichskartoffelstelle anzumelden und sind verpflichtet, 
die angemeldeten Mengen demnächst auch abzunehmen. Wach Hrüfung der 
Anmeldung bestimmt die Reichskartoffelstelle die zu liefernde Menge. Sie 
kann die Lieferung selbst übernehmen oder einem Überschußverbande oder 
einer von ihr mit der Dermittlung der artoffellieferung betrauten Stelle 
übertragen. Die Beschaffung der für die Bedarfsverbände nötigen Mengen 
ist dadurch gewährleistet, daß jeder Kartoffelerzeuger auf Erfordern alle
	        
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