Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

IV. Kriegswirtschaft 145 
G. Die Regelung der Brotgetreide--, Mehl- und 
Brotversorgung. 
a) 1. Im Abschnitt Aa. ist dargelegt worden, daß Deutschland zwar seinen 
Bedarf an Roggen bei normaler Ernte reichlich zu decken pflegt, dagegen 
Weizen in sehr großen Mengen aus dem Auslande bezieht. Der Uberschuß 
der Einfuhr von Weizen über die Ausfuhr beläuft sich auf annähernd 2 Mil— 
lionen Tonnen im Jahre. Da infolge der Aushungerungspolitik unserer 
Feinde mit der Fortdauer dieser Einfuhr während des Krieges nicht zu 
rechnen war, wurden bereits Ende Oktober 1014 verschiedene Maßnahmen 
getroffen, um die Deckung des Brotgetreidebedarfs zu sichern. 
1. Es wurde das Derfüttern von mahlfähigem Roggen und Weizen 
und zur Brotbereitung geeignetem Roggen= und Heizenmehl verboten 
und unter Strafe gestellt. Da in normalen Jahren ein Diertel der deutschen 
Roggenernte verfüttert wird und überdies die Gefahr bestand, daß die Ver— 
fütterung von Roggen infolge der Knappheit der Futtermittel noch größeren 
Umfang annehmen würde, konnte bei strenger Durchführung des Derfütte- 
rungsverbots auf eine starke Dermehrung der zur menschlichen Ernährung 
verfügbaren Getreidemengen gerechnet werden. 
2. Es wurde vorgeschrieben, daß zur Mehlberstellung Roggen bis zu 
mindestens 72, Weizen bis zu mindestens 25 % durchgemahlen werden muß, 
während im Frieden die Durchmahlung des Roggens nur bis 65 %, des 
Weizens nicht viel über 20% zu erfolgen pflegt. 
5. Es wurde eine Streckung des Brotes angeordnet derart, daß dem 
Weizenbrot im Hinblick auf die geringeren Weizenbestände mindestens 10 % 
Roggenmehl, dem Roggenbrot mindestens 5 Gewichtsteile Kartoffelflocken, 
LKartoffelwalz= oder Kartoffelstärkemehl oder mindestens 20 Gewichtsteile 
gequetschte oder geriebene Kartoffeln zugesetzt werden müssen. 
Gleichzeitig wurden, um der heftig einsetzenden Hreissteigerung des 
Getreides Einhalt zu tun, Höchstpreise für Getreide festgesetzt. Sie wurden 
unter Berücksichtigung der Eisenbahn- und Wasserfrachten für 52 Hauptorte 
in verschiedener Höhe so bemessen, daß der Höchstpreis der Bezugsgebiete 
möglichst dem um die Frachtkosten vermehrten Höchstpreise der Erzeugungs- 
gebiete entsprach. Die Höchstpreise für Weizen waren um co M. für die Tonne 
Böher als die für Roggen. Die niedrigsten Hreise hatten die östlichen Hauptorte: 
Königsberg i. Hr. und Bromberg mit 200, Dosen mit 210, Danzig und Breslau 
mit 212 M. für die Tonne Roggen, die höchsten Hreise mit 252 M. Aachen, 
München, Saarbrücken, Straßburg i. E., Stuttgart. Der Berliner Höchstpreis 
für die Tonne Roggen belief sich auf 220 M. Für bessere Oualitäten, die 
über mittlere Handelsware hinausgingen, waren Suschläge in begrenzter Böhe 
zugelassen. Tach den Hreisfestsetzungen für die 32 Hauptorte regelten sich die 
IPreise aller andern Orte. Durch die erwähnten Vorschriften über die Aus- 
mahlung (siehe oben Giffer 2) wurde Uleie von solcher Gleichmäßigkeit erzeugt, 
daß es möglich war, hierfür einen einheitlichen Zöchstpreis ab Mühle zu be- 
stimmen. Dagegen stellten sich der Festsetzung von Böchstpreisen für Mehl für 
das Reichsgebiet solche Schwierigkeiten entgegen, daß hierauf verzichtet wurde. 
Staatsbürgerl. Belehrungen in der Kriegszeit. II. Zand. 10
	        
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