Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

IV. Kriegswirtschaft 140 
lichen Dorschriften über die Bereitung von Backware und die landesrecht- 
lichen Zefugnisse auf diesem Gebiete bleiben aufrechterhalten; darüber 
hinaus sind aber den Kommunalverbänden eine Reihe besonderer Befug- 
nisse verliehen. Sie können eine Art oder mehrere Arten Einheitsbrot für 
Roggenbrot, Weizenbrot, Swieback vorschreiben und nach Form, Gewicht 
und Susammensetzung bestimmen, ferner die Herstellung von Kuchen ver- 
bieten oder auf einzelne Sorten oder Tage einschränken oder bestimmte Zu— 
sammensetzungen vorschreiben. Sie können ferner von der Beschlagnahme 
nicht betroffene Dorräte von Mehl (von weniger als 1 dz) für sich in An- 
spruch nehmen, soweit der Dorrat eines Besitzers 25 kg übersteigt, und 
mit diesen Mehlmengen wie mit ersparten Dorräten verfahren. Sie können 
schließlich Händlern, Handelsmühlen, Bäckern und Konditoren die Abgabe 
von Backwaren und Mehl nach außerhalb untersagen. Die Brotversorgung 
ist von den Kommunalverbänden ganz überwiegend so geregelt worden, 
daß der Bevölkerung auf eine bestimmte Seitdauer, meist eine Woche, lau- 
tende Zrotkarten ausgehändigt werden, deren einzelne Abschnitte beim 
Einkauf von Mehl oder Brot in entsprechender Sahl dem händler oder 
Bäcker abzuliefern sind. Hierdurch ist einerseits sichergestellt, daß niemand 
bei der Beschaffung von Mehl oder Brot die für ihn bestimmte Menge 
überschreiten kann, anderseits ist in diesen Abschnitten die Grundlage ge- 
schaffen, auf der sich die Abgabe von Mehl an die Kleinhändler und Bäcker 
vollzieht. Diese erhalten gegen Dorlegung der bei ihnen abgegebenen NKarten- 
abschnitte die ihrem Bedarf entsprechende Mehlmenge, sei es unmittelbar 
vom Kommunalverbande, sei es durch Vermittlung des Großbandels. Eine 
besondere Regelung hat zumeist die Suerteilung von Mehl an Gastwirt- 
schaften, Gasthäuser, Fremdenpensionen, Krankenanstalten gefunden, ebenso 
die Belieferung von Konditoren und Bäckern mit Mehl zur Herstellung von 
Kuchen, insofern dieser ohne Brotkarte abgegeben werden darf. 
b) Während die vorstehend in ihren Grundzügen dargestellte Regelung 
nur die am 1. Februar 1015 verbliebenen Bestände der Brotgetreideernte 
von 1914 umfaßte, die zu diesem Seitpunkte noch etwa 4 Millionen Tonnen 
betrugen, trat mit der Ernte des Jahres lols an das Reich die Aufgabe 
heran, die Derwertung des ganzen Ertrags dieser Ernte an Brotgetreide 
zu ordnen. Dies ist durch die Derordnung vom 28. Juni 1915 geschehen. 
Sie beruht auf den gleichen Grundgedanken, wie die Derordnung vom 
25. Januar 1915, von der sie sich — abgesehen von Einzelhbeiten — nur in 
wenigen wesentlichen Hunkten unterscheidet. Sunächst ist die Organisation 
einbeitlicher gestaltet worden. Das Nebeneinanderbestehen der K. G. mit 
ihren Organen (Geschäftsführer, Aufsichtsrat), der Derteilungsstelle und des 
Reichskommissars hatte gelegentlich zu Schwierigkeiten geführt, die auch 
durch die Hersonalunion der Stellen des Reichskommissars, des orsitzenden 
des Aufsichtsrats und des Direktors der K. G. nicht völlig zu beseitigen 
waren. Es wurde nunmehr ein einheitliches Organ in der Reichsgetreide- 
stelle (R. G. St.) geschaffen, das aus einer Derwaltungsabteilung und einer 
Geschäftsabteilung besteht. Die Derwaltungsabteilung hat die regiminellen 
Aufgaben zu erledigen, die früher der Reichsverteilungsstelle oblagen, während
	        
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