Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

IV. Kriegswirtschaft 155 
beschränkt. Recht befriedigend ist dieser Ausweg nicht. Die großen Gerste- 
erzeuger können auf diese Weise mehr zurückhalten als vom Standpunkte 
der Allgemeinheit erwünscht ist. Für kleine Gerstebauern hbingegen reicht 
die ihnen belassene Menge zur Deckung des eignen Bedarfs häufig nicht 
aus; zu ihren Gunsten ist deshalb der Grundsatz der Belassung der Hälfte 
dahin gemildert worden, daß den kleinen Besitzern unter allen Umständen 
10 dz zur freien Derfügung bleiben sollen. Weiter kann ihnen auch der Kom- 
munalverband helfen durch völligen oder teilweisen Derzicht auf die ihm 
lieferungspflichtige Bälfte, aber nur insoweit, als der Kommunalverband 
trotz solchen Derzichts seiner eignen Lieferungspflicht noch genügen kann. 
Daß die Gerste verarbeitenden Industrien ihren normalen Bedarf voll 
becken könnten, erschien selbst bei einer günstigen Ernte ausgeschlossen. Des- 
halb war schon im ersten Erntejahre des Krieges der Derbrauch der Braue- 
reien als derjenige, welcher am ehesten eine Schmälerung erfahren konnte, 
auf 60 % für kleine Brauereien auf 70 % der in den beiden letzten Friedens= 
jabren verarbeiteten Malzmengen eingeschränkt worden. An dieser Ein- 
schränkung wurde für das Erntejahr 1015/16 um so mehr festgehalten, als die 
Derarbeitung der Gerste zu Graupen möglichst gefördert werden mußte, 
um so einen Ersatz für die mangelnde Sufuhr von Reis und Hülsenfrüchten zu 
schaffen. Als sich später herausstellte, daß die Gerstenernte von 1015 binter 
einer Mormalernte ganz außerordentlich zurückblieb, ist durch Derordnung 
vom 1. Jannar 1016 für die gewerblichen Brauereien eine weitere Herab- 
setzung der ihnen nach der bisherigen Beschränkung zugewiesenen Gersten- 
und Malzmengen um ein Fünftel angeordnet worden. Für die andern 
Gerste verarbeitenden Betriebe werden die auf sie entfallenden Gersten- 
mengen (Kontingente) durch die ZReichsfuttermittelstelle festgesetzt. Die 
Grundlage bildete die tatsächliche Gerstenverarbeitung in den Jahren 1912/14; 
wo dieser Maßstab zu Härten führt, kann die Reichsfuttermittelstelle davon 
abweichen, sofern dies zur Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz eines 
Unternehmers oder zur Ermöglichung einer wirtschaftlichen Ausnutzung der 
Betriebsanlagen erforderlich ist und diese nicht erst zur Ausnutzung der 
Kriegskonjunktur geschaffen worden sind. Infolge der schlechten Gersten- 
ernte konnte auch diesen Betrieben ihr Kontingent nur in Höhe von 60 0 
der bisherigen Hroduktion festgesetzt werden; nachträglich ist es aber für 
Graupenfabriken wegen der Bedeutung ihrer Erzeugnisse für die Dolks- 
ernährung bedeutend erböht worden. 
Die Kontingentsinhaber erhalten die für ihre Zetriebe benötigte Gerste 
nicht durch Dermittlung der Sentralstelle zur Beschaffung der Beeres- 
verpflegung, sondern bezieben sie im freien Derkehr auf Grund der Bezugs- 
scheine, die ihnen von der Reichsfuttermittelstelle nach Maßgabe ihres Kon- 
tingents ausgestellt werden. Für dieses Derfahren war einerseits der Wunsch 
maßgebend, die Betätigung des Handels nicht auszuschließen, wo dies nicht 
unbedingt nötig ist; anderseits die Absicht, denjenigen Betrieben, insbeson- 
dere Brauereien, die bestimmte Anforderungen an die Güte der Gerste 
stellen und gewohnt sind, ihren Bedarf in bestimmten Erzeugungsgebieten 
zu befriedigen, die Möglichkeit hierzu trotz der gesetzlichen Regelung des
	        
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