168 Dr. Hochheimer
den unerwartet großen Anforderungen gewachsen sein würden. Wir wissen
heute schon, wie die Antwort zu lauten hat; aber wollen wir das Geheimnis
des Erfolges klar durchschauen, so müssen wir Einblick gewinnen in die
Organisation und in die bisherige Tätigkeit der militärischen Beilpflege.
A. Die Organisation des Kriegsgesundheitsdienstes.
Bereits in den Zeiten, da viele gute Deutsche noch sanft vom ewigen
Frieden träumten und mancher „scharfe Denker“ die Unmöglichkeit eines
längeren Weltkriegs „berechnet“ und „bewiesen“ hatte, war von der Medi—
zinalabteilung des Hreußischen Kriegsministeriums die „Kriegs-Sanitäts-
ordnung“ ausgearbeitet worden, auf der die ganze Crganisation beruht.
Der Kaiser genehmigte sie am 27. Januar 10072; sie trat an die Stelle
der gleichnamigen Dienstvorschrift vom 10. Jannar 1878, die noch den Nieder—
schlag der im Deutsch-Französischen Kriege gesammelten Erfahrungen bildete.
Die neue Vorschrift ist kurz, knapp und klar, ein kleines Büchlein in Caschen-
form von rund 162 Seiten mit 542 fortlaufend numerierten Sätzen.
Bei jedem Lebewesen entscheidet das Derhältnis und die Derbindung
zwischen Haupt und Gliedern über Größe und Güte der Leistungen. Das
Zaupt muß schnell arbeitende und weitreichende Sinnesorgane besitzen, um
alle Anreize und Aufgaben zu überschauen, die jeder neue Augenblick heran-
bringt, und es muß in steter Befehlsverbindung mit gut ausgebildeten, kräf-
tigen Gliedern stehen, die es zweckmäßig lenkt und überwacht.
Darum erfolgt die Leitung des gesamten Feld-Sanitätsdienstes
im Großen hHhauptquartier, wo alle Nervenfäden des ungeheueren
Organismus „Krieg“ zusammenlaufen. Der Chef des Feldsanitäts-
wesens ist das Haupt; das Sanitätspersonal des Operations= und Etappen-
gebiets bildet die Glieder. Sum Heldsanitätschef im jetzigen Kriege hat der
HKaiser den bisberigen prenßischen Generalstabsarzt der Armee, Chef des
Sanitätskorps und der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums Hrof. Dr.
von Schjerning, ernannt, der seit gooé diesen höchsten militärärztlichen
Dosten bekleidete. Unter seiner Führung ist das preußisch-deutsche Sanitäts-
wesen erst zu dem geworden, was es in diesem Kriege leistet. Auf einem
Teile des östlichen Kriegsschauplatzes vertritt ihn als „Feldsanitätschef beim
Oberbefehlshaber Ost“ der Obergeneralarzt Hrof. Dr. von Kern.
Das Haupt des Feldsanitätswesens muß gleichzeitig vor= und rückwärts
schauen: nach vorn zu den Kranken und Derwundeten der kämpfenden
Truppen, die von Tod und Derderben umgeben sind, von feindlichen Waffen
und von der „Hestilenz, die im Finstern schleicht“; nach rückwärts zu den
Kraftquellen der Heimat, aus der immer neues Hersonal und Material ge-
schöpft werden muß, um Derwundete und Kranke wiederherzustellen, ver-
brauchte Sanitätsausrüstung zu ergänzen und neue Reserven zu schaffen.
Stärke ist gesammelte Kraft; der einzelne Mensch sammelt sie im Eltern-
und Heimatshause, das deutsche Dolk im deutschen Daterland, und den
draußen kämpfenden Truppen schicken, wie treu fürsorgende Eltern, die
heimischen Kriegsministerien immer neue Kräfte nach. So stärkt auch die