Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

282 Witowski 
durchdringt alle Schichten des deutschen Volkes. Es ist sich der Ehrenpflicht 
und der wirtschaftlichen Notwendigkeit bewußt, für die Wiederherstellung 
der Erwerbsfähigkeit der Kriegsinvaliden erreichbar vollkommen zu sorgen. 
Den Anstoß zu weitgehender Betätigung auf diesem Gebiete gab Ihre 
Majestät die Kaiserin in einem Schreiben vom 15. August 1014, indem Höchst- 
dieselbe wünschte, daß die Deutsche Dereinigung für Krüppelfürsorge sich 
der orthopädischen Machbehandlung von Derwundeten annähme. Daraufhin 
begann es sich bald in allen Gauen des Daterlandes zu regen, um Mittel und 
Wege zur möglichst befriedigenden Lösung der so dringenden Aufgabe der 
Heilung und Dersorgung der Kriegsinvaliden zu finden. In mannigfacher 
Susammensetzung der sich beteiligenden Kreise und verschiedener Gestaltung 
des Arbeitsfeldes gingen Dereine und öffentliche Hörperschaften an das 
Werk. Nach dem sich ergebenden Gesamtbilde kann man als die neue Kriegs- 
beschädigtenfürsorge die Maßnahmen bezeichnen, die über die Hflichtleistungen 
der sozialen Dersicherung und der militärgesetzlichen Dersorgung hinaus- 
gehend die Einführung der Kriegsbeschädigten in das bürgerliche Erwerbs- 
leben dienen. Es sind freiwillige Wohlfahrtsmaßnahmen, nicht des Reichs, 
sondern unter seiner finanziellen Beihilfe der Zundesstaaten, Selbstver- 
waltungskörper, Träger der sozialen Dersicherung, öffentlicher Zerufsver- 
tretungen (Handels-, Handwerkerkammern usw.), Berufsvereine, Arbeit- 
geber und Arbeitnehmer, die zu Derbänden und Ausschüssen zusammen- 
geschlossen sind. Die Hauptrichtungen ihrer Betätigung bilden die Berufs- 
beratung, Berufsschulung und -Umschulung, Arbeitsvermittlung und 
Arbeitsgewährung. Die Heilung der VDerwundeten und der im Felde Er- 
krankten selbst ist dagegen Sache der Hheeresverwaltung, die sie mit bestem 
Erfolge durchführt. Allerdings hat gerade die soziale Dersicherung und ins- 
besondere die Arbeit der Berufsgenossenschaften auf dem Gebiete der 
Heilung Verletzter vielfach neue Bahnen eröffnet. Die vorbeugende früh- 
zeitige HBeilbehandlung mit dem Siele der möglichst vollkommenen Her- 
stellung der Erwerbsfähigkeit unter Ausnutzung der neuesten Errungenschaften 
der Orthopädie hat nicht nur diese selbst, sondern auch die Arzteschaft in 
langjähriger Friedensarbeit für die Behandlung der Kriegsverletzten vor- 
geschult. Die Heeresverwaltung ist deshalb auch bestrebt, die Erfahrungen 
und Einrichtungen der Dersicherungsträger für ihre Swecke nutzbar zu machen, 
indem sie die Kriegsbeschädigten, soweit sie der Reichsversicherungsordnung 
unterliegen, tunlichst den Heilanstalten der Dersicherungsträger überweist 
und den weiteren Ausbau der Fürsorge in dauerndem SGusammenarbeiten 
mit diesen Trägern durchführt. Ein weites KFeld segensreicher Mitarbeit 
eröffnet sich den Dersicherungsträgern in der Uberführung der Kriegs- 
teilnehmer in das bürgerliche Erwerbsleben. Da die Entschädigung durch 
Rente sich nach dem Grade der Erwerbsfähigkeit abstuft, werden die Bezugs- 
berechtigten regelmäßig auch auf Arbeitsverdienst angewiesen sein. Grund- 
sätzlich muß man von ihnen verlangen, daß sie selbst sich darum bemüben. 
Aber ihr Gefühl der Selbstverantwortlichkeit muß gestärkt werden. Der 
durch körperliche Leiden geschwächte Wille führt leicht zur Mutlosigkeit. 
Oft findet der einzelne allein keine Arbeitsgelegenheit, „Rentenhv#sterie"
	        
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