Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

IX. Die soziale Versicherung und der Krieg 283 
gewinnt vielfach die Oberhand. Möglichst frühe Beratung über den am 
sichersten einzuschlagenden neuen Lebensberuf, Anleitung zu seiner Erlernung, 
Arbeitsnachweis und Einweisung in die neue Arbeit sind deshalb unerläßlich. 
Die Reichsversicherungsordnung bietet die Handhabe dazu auch den Der- 
sicherungsträgern. Sie gestattet, zur Beschaffung von Arbeitsgelegenheit 
Beiträge zu erheben und Mittel dazu zu verwenden, sowie selbst Arbeits- 
gelegenheiten einzurichten. Schon bisher haben viele Arbeitgeber verun- 
glückten oder erkrankten Arbeitern nach Wiederherstellung ihre Betriebe wieder 
geöffnet. Bei den staatlichen Ausführungsbehörden, beispielsweise den 
Eisenbahn= und Bergverwaltungen war dieses wegen der großen Der- 
schiedenheit und GSahl der vorhandenen Stellen nicht schwierig, ebenso bei 
großen privaten Arbeitgebern, beispielsweise den Kruppschen Werken. Aber 
auch kleinere Betriebe taten es namentlich bei bewährten Arbeitern. Nicht 
nur der Wiederbeschäftigung, sondern auch der Berufsberatung und Berufs- 
umschulung und der möglichst früheen Wiedergewöhnung an die Arbeit wandte 
man sich schon vor dem Kriege zu. Es sei beispielsweise erinnert an die 
schon im Januar 1014 von der Wordöstlichen Eisen= und Stahlberufsgenossen- 
schaft eingerichtete Landkolonie zur Erholung und leichten Beschäftigung 
Derletzter mit dem Giele, sie in geeigneten Källen dauernd auf dem Lande 
anzusiedeln. Auch heil- und Gewöhnungs= sowie Ausbildungswerkstätten 
sind bereits mehrfach ins Leben gerufen worden, beispielsweise von der 
Firma Krupp und bei dem Bochumer Derein für Bergbau und Gußstahl- 
fabrikation. Das Landheim Eberstadt dient gleichfalls dazu, Umfallverletzte 
und Invalide zu beschäftigen, die den Rest ihrer Arbeitsfähigkeit außerhalb 
schwer ausnutzen können. Auch die öffentlichen Arbeitsnachweise haben die 
Dersicherungsträger schon vor dem Kriege gefördert. So hat die Westfälische 
Dereinigung von Berufsgenossenschaften mit dem Westfälischen Arbeits- 
nachweis ein Abkommen getroffen, nach dem sie ihm für Arbeitsvermitte- 
lungen Dergütung gewährt. Auch andere Berufsgenossenschaften haben 
ihren Mitgliedern nahegelegt, namentlich aus dem Kriege heimkehrende 
Arbeiter wieder in ihren Betrieben zu beschäftigen. Schon in den Heilstätten 
haben auch die Landesversicherungsanstalten durch Dorträge, Aushang und 
dergleichen auf die Arbeitsnachweisstellen hingewiesen und Angebote den 
Arbeitern übermittelt. 
Diese Umrisse dürften ein genügendes Bild von der Wirksamkeit der 
sozialen Dersicherung vor und während des gegenwärtigen Krieges geben. 
E. Ausblick auf neue Aufgaben der sozialen Versicherung 
nach dem Kriege. 
Bei einem Dersuch, die Aufgaben der sozialen Dersicherung nach 
dem Kriege anzudeuten, wird man ihr die Anerkennung nicht ver- 
sagen können, daß sie bisher segensreich gewirkt hat und unserem 
volke am besten gedient sein wird, wenn sie auch weiter in dem 
bisherigen Geiste geleitet und durchgeführt wird. Immerhin werden
	        
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