Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

IX. Die soziale Versicherung und der Krieg 285 
wordenen Arbeiter erhalten und weiter ausbauen können. Im übrigen 
müssen über Art, Zahl und Umfang der zu treffenden Einrichtungen die 
Bedürfnisse der versicherungsträger entscheiden, die sich nach den gewerb- 
lichen und industriellen Derhältnissen ihrer Bezirke richten. Auch hier 
wird es gelten, zunächst an einzelnen praktischen VDersuchen Erfahrungen 
zu sammeln. Der Klarstellung bedarf die Erzwingbarkeit eines solchen 
erweiterten Heilverfahrens. Ein Swang über den Rahmen des Heil- 
verfahrens im Sinne des geltenden Gesetzes binaus ist nicht durchführbar. 
Eine Uberspannung dieses Rahmens durch die Rechtsprechung muß ver- 
mieden werden. Dagegen wird wohl unbedenklich anzunehmen sein, daß das 
Heilverfahren im Sinne des geltenden Rechts nicht nur die operative und 
medizinische Behandlung einschließlich der medikomechanischen umfaßt, son- 
dern daß auch die Behandlung durch zweckentsprechende praktische Arbeit 
in Werkstatt und Betrieb als HBeilbehandlung und damit als Heilverfahren 
anzusehen ist. Es wird deshalb, sobald eine solche Behandlung nach Ab- 
schluß eines früheren Heilverfahrens begründete Aussicht auf weitere Besse- 
rung der Erwerbsfähigkeit verspricht, die Wiederaufnahme einer neuen 
Arbeitsbehandlung als zulässig gelten können. Die Dersicherungsträger 
haben den Derlust der Erwerbsfähigkeit auf dem gesamten dem Dersicherten 
seiner Dorbildung und seinen Fähigkeiten angemessenen Arbeitsmarkt zu 
entschädigen. Man wird ihnen deshalb die Befugnis einzuräumen haben, 
das ihnen verliehene Recht zur Heilbehandlung in angemessener Weise so 
lange anzuwenden, als das Siel einer möglichst vollkommenen Wieder- 
herstellung dieser Erwerbsfähigkeit mit Grund zu erwarten ist. Ein ab- 
solutes Swangsrecht ist ihnen allerdings bisher gesetzlich nicht verlieben. 
Gegenüber der Weigerung, einem Beilverfahren sich zu unterziehen, sind 
sie nur befugt, zum Wachteil des Dersicherten ungünstige Schlüsse bei der 
Festsetzung der Entschädigung zu ziehen. Ohne weitblickende Rücksicht auf 
das Gemeinwohl auf seiten der Dersicherungsträger und ohne die Er- 
kenntnis der Versicherten, daß ihnen mit der möglichst vollständigen Wieder- 
berstellung selbst am besten gedient ist und es der würde des deutschen 
Arbeiters entspricht, am liebsten verdientes Brot zu essen, wird das vor- 
stebeend angedeutete Siel nur unvollkommen zu erreichen sein. Eine be- 
reitwillige Derständigung der GOrganisationen der Arbeitgeber und der 
Arbeiter muß daher in erster Linie angestrebt werden. Daß die Kosten 
auch des erweiterten Heilverfahrens einschließlich der Familienunterstützung 
den Dersicherungsträgern obliegen, ist wohl selbstverständlich (val. 
Lohmar, Werkstätten für Erwerbsbeschränkte und Dr. Schellmann, 
Heilwerkstätten, Zerlin o#16 bei Richard Schoetz, Berlin SW 340, Wilhelm- 
straße 10). 
Aber auch der Gesetzgebung werden nach Abschluß des für Deutsch- 
land, wie wir zuversichtlich annehmen dürfen, günstigen Friedens neue 
soziale Aufgaben gestellt werden. Die zu erwartende Umgestaltung 
der wirtschaftlichen und politischen Derhältnisse wird voraussichtlich zu 
einer Erweiterung des Kreises der Dersicherten führen und neue Der- 
sicherungszweige ins TLeben rufen oder sachlich weiter ausbauen lassen.
	        
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