Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

290 A. Crecelius 
dingungen zu verkaufen wie der Großbetrieb. Von den zahlreichen sonstigen 
landwirtschaftlichen Genossenschaften seien noch die Dreschmaschinen— 
genossenschaften und die Kartoffeltrocknungsgenossenschaften er- 
wähnt. Auch die inzergenossenschaften gehören hierher, die gemein- 
sam die von den Mitgliedern gelieferten Trauben keltern und den Wein 
für gemeinsame Rechnung verkaufen. Am 1. Januar 1015 betrug die Sahl 
der landwirtschaftlichen Genossenschaften insgesamt 9785. Darunter be- 
finden sich 5aqb Molkereigenossenschaften, 2565 BZezugsgenossenschaften und 
2023 Werkgenossenschaften (vornehmlich Elektrizitätsgenossenschaften, Dresch- 
und sonstige Maschinengenossenschaften). Meben den Bezugsgenossenschaften 
vermitteln auch die meisten Spar= und Darlehnskassen auf dem Lande den 
Bezug landwirtschaftlicher Zedarfsgegenstände und den Absatz landwirt- 
schaftlicher Erzeugnisse. 
Für kein Gebiet unfres Wirtschaftslebens ist das Genossenschaftswesen 
von so großer Bedeutung geworden wie für die Landwirtschaft. Der 
intensive Betrieb, die Maschinenbenutzung, die rationelle Derwertung der Er- 
zeugnisse, der vorteilhafte Zezug der Bedarfsartikel, das alles ist der Land- 
wirtschaft erst möglich geworden durch genossenschaftlichen Busammenschluß. 
2. Ahnlich wie für die Landwirtschaft kann auch für das Handwerk der 
genossenschaftliche Husammenschluß von großem orteil werden. Tatsächlich 
sind denn auch im Handwerk eine große Anzahl Genossenschaften errichtet 
worden. Dor allem Rohstoffgenossenschaften, auch Einkaufsgenossen- 
schaften genannt. Sie bezwecken den gemeinsamen Einkauf von Robstoffen 
und sonstigen Bedarfsartikeln für die verschiedenen Sweige des Handwerks. 
Die Schuhmacherrohstoffgenossenschaften z. B. kaufen gemeinschaftlich Leder 
ein, die Bäckereigenossenschaften Mehl, Befe usw. NWeben den Rohstoff- 
genossenschaften bestehen ferner Werkgenossenschaften zur gemeinschaft- 
lichen Beschaffung und Benutzung von Maschinen, deren Anschaffung für den 
einzelnen Handwerker zu teuer ist, z. B. im Tischler= und Schreinergewerbe 
die Holzverarbeitungsmaschinen. Die Magazingenossenschaften be- 
zwecken die gemeinschaftliche Einlagerung der von den Mitgliedern her- 
gestellten Waren zum Derkauf, um günstigere Absatzmöglichkeiten zu schaffen, 
z. B. im Schreiner= und Tischlergewerbe. Die Hroduktivgenossenschaften 
schließlich bezwecken die gemeinschaftliche Herstellung von Waren. 
Das Handwerkergenossenschaftswesen ist für das Handwerk von großer 
Bedeutung geworden, obwohl es noch nicht die gleiche Bedeutung zu erlangen 
vermochte, wie das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen für die Land- 
wirtschaft. Die Ursache dürfte darin zu finden sein, daß die erste Dorbedingung 
für den Erfolg des HBandwerksbetriebes in der persönlichen Tüchtigkeit und 
LCeistungsfähigkeit des Meisters liegt, in der DQualitätsarbeit, die er schafft. 
Der genossenschaftliche HZusammenschluß kann namentlich in organisatorischer 
Hinsicht den Handwerksbetrieb zwar dem Großbetrieb gegenüber wettbewerbs- 
fähig machen, setzt dabei aber voraus, daß der einzelne Handwerksbetrieb 
in sich leistungsfähig ist. Dazu kommt, daß der genossenschaftliche Betrieb 
im Handwerk eine gewisse Unterordnung erfordert, zu der sich der selbständige 
Handwerker nur ungern herbeiläßt. Dadurch wird auch erklärlich, daß die-
	        
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