Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

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X. Die Genossenschaften und der Krieg 293 
Großbanken die berufenen Stellen; handelt es sich um Kredite für den Mittel— 
stand, so kommen fast ausschließlich die Kreditgenossenschaften, das sind in 
den Städten die Dorschußvereine, auf dem Lande die Spar= und Darlehns- 
kassen, als Kreditquellen in Betracht. 
Sur Gewährung von Darlehn gehört in erster Linie, daß der Darlehns- 
geber selbst über die erforderlichen Mittel verfügt. Diese beschaffen sich die 
Kreditgenossenschaften dadurch, daß sie tunlichst auf die Bildung eines 
eigenen Dermögens, nämlich des Grundkapitals (der Geschäftsguthaben) 
sowie der Reserven binwirken, und ferner dadurch, daß sie von den Mit- 
gliedern Spargelder annehmen. enn ein Ceil der Mitglieder kredit- 
bedürftig ist, so wird dies doch nicht bei allen, jedenfalls nicht bei allen Mit- 
gliedern gleichzeitig, der Fall sein. Die Mitglieder der Kreditgenossenschaften 
pflegen sich aus Angehörigen aller Berufsstände zusammenzusetzen. Land- 
wirte, Gewerbetreibende, Handwerker, Arbeiter, Angehörige der freien 
Berufe gehören ihnen an. Su einer Seit, wo der Gewerbetreibende Geld 
braucht, z. B. wenn er vor Beginn des Weihnachtsgeschäfts sein Warenlager 
im Herbst auffüllt, wird der Landwirt aus der Ernte verfügbare Gelder 
haben, die er augenblicklich nicht benötigt. Infolge dieses zeitlich auseinander- 
fallenden Geldbedarfs tritt ein gewisser Ausgleich ein, da die Kreditgenossen- 
schaften die von den Mitgliedern nicht benötigten Gelder an sich zu zieben 
bestrebt sind, um sie an die kreditsuchenden Mitglieder auszuleihen. Weite 
Kreise unfres Dolkes, die ebenfalls zu den Mitgliedern der Kreditgenossen- 
schaften gehören, benötigen überhaupt keinen Kredit, sondern sind sogar in 
der Lage, Ersparnisse zu machen, und suchen diese Ersparnisse verzinslich 
anzulegen. Alle Gelder, die den Kreditgenossenschaften auf diese Weise 
zufließen, können an kreditbedürftige Mitglieder ausgeliehbeen werden. Selbst- 
verständlich müssen die Darlehnsnehmer hierfür in geeigneter Weise Sicher- 
heit leisten, sei es, daß sie Zürgen beibringen, Hppothek bestellen oder sonst 
geeignete Gegenstände, z. B. Wertpapiere, verpfänden. Die Sabl der 
Kreditgenossenschaften beträgt rund 10 500; von diesen berichteten im Jahre 
101 zur Statistik der Derbände 12 564 mit einem eigenen Dermögen (Ge- 
schäftsguthaben und Reserven) von 500 Millionen Mark, und 4755 Millionen 
Mark fremden Geldern an Spareinlagen, Depositen u. dgl.; ihr Umsatz 
auf einer Seite des Hauptbuches betrug 28 560 Millionen Mark. 
Die Bedeutung der Kreditgenossenschaften ist ganz außerordentlich, 
Sie haben vor allem den Wucher bekämpft, der heute dank ihrer Arbeit 
so gut wie verschwunden ist; sie haben den Sparsinn gefördert und haben 
es möglich gemacht, daß die ihnen zufließenden Gelder — im Gegensatz zu 
den Geldern, die auf die Sparkasse und zu den Banken wandern — wieder 
befruchtend auf in den Kreis zurückwirken, dem sie entstammen. 
c) Das Genossenschaftswesen im ganzen. 
1. Insgesamt bestanden bei Kriegsbeginn im Deutschen Reiche rund 
55 000 Genossenschaften. Dieser stattlichen Sahl entspricht die innere Stärke 
der Genossenschaften, so daß man mit Recht von einer „Blüte des deutschen 
Genossenschaftswesens“ sprechen kann. Daß dem so ist, verdankt es neben
	        
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