X. Die Genossenschaften und der Krieg 297
beginn Beruhigung und Besonnenheit wiederkehrte und hierdurch den
Genossenschaften die Erfüllung ihrer Aufgaben außerordentlich erleichtert
wurde. Das ändert aber nichts daran, daß ein krankes Genossenschaftswesen
den Anstürmen der Zeit nicht standgehalten haben würde. Ferner muß
hervorgehoben werden, daß, wenn auch unsere Genossenschaften im einzelnen
nicht in die Lage gekommen sind, ihre finanzielle Kriegsbereitschaft zu
beweisenn, doch unsere Dolkswirtschaft im ganzen in dieser Lage gewesen
ist; und daß unsere Dolkswirtschaft die Belastungsprobe so gut bestanden
hat, daran dürfen auch die Genossenschaften einen Teil des Derdienstes
in Anspruch nebmen.
Aber die Genossenschaften haben nicht nur einen wesentlichen Anteil
hieran, sie sind darüber hinaus stark genug gewesen, während der Kriegs-
zeit ihren Mitgliedern eine feste Stütze zu sein und den Mitgliedern wie der
Allgemeinbeit bei der Erfüllung der Kriegsaufgaben und in der Durch-
führung der Fürsorgemaßnahmen wertvolle Dienste zu leisten. Dies wird
eine Betrachtung der Wirksamkeit der einzelnen Genossenschaftsarten ergeben.
I. Die Kreditgenossenschasten.
a) Uberleitung der Friedenswirtschaft in die Kriegswirtschaft.
1. Es konnte sich im Kriege für die Kreditgenossenschaften selbstver-
ständlich nicht darum handeln, gänzlich neue Bahnen zu beschreiten oder
sich gar in gewagte Hersuche einzulassen, sondern für sie kam es darauf
an, auch in den Schwierigkeiten und unter den veränderten Derhältnissen
der Kriegszeit zu zeigen, daß sie stark genug waren, auch Außergewöhnliches
zu leisten. Die Anforderungen, die an die Kreditgenossenschaften gestellt
wurden, waren nicht gering. Man bedenke nur die Wirkungen, die der Kriegs-
beginn in den geschäftlichen Betrieben und selbst Hrivathaushaltungen
ausübte. Diele Lieferanten von Handwerkern und Gewerbetreibenden
bestanden auf sofortiger Barzahlung und kündigten ihren Kunden sogar
den bisher gewährten Kredit. Ganze Interessenorganisationen suchten in
dieser Weise gemeinsam vorzugehen. Der Kriegsbeginn verursachte in vielen
Betrieben und Haushaltungen erhöhte Ausgaben, in vielen Gegenständen
des täglichen Bedarfs setzten Hreissteigerungen ein. Das alles machte sich
bei den Kreditgenossenschaften in Gestalt von erhöhten Abhebungen der
Einlagen und erhöhter Inanspruchnahme von Kredit geltend. Dazu kamen
noch in nicht wenigen Fällen die sogenannten „Angstabhebungen“ besorgter
Gemüter, die ihr Geld bei ihrem Kreditinstitut nicht mehr sicher wähnten.
Die Kreditgenossenschaften haben alle diese Anforderungen zu befriedigen
vermocht. Wie viele Millionen in den kritischen Tagen von Mitte Juli bis
Mitte August 1914 von den Genossenschaften insgesamt ausgezahlt wurden,
darüber lassen sich augenblicklich noch nicht zahlenmäßige Angaben machen;
die Summen sind aber beträchtlich gewesen. Der Allgemeine Deutsche
Genossenschaftsverband hat eine Kriegsstatistik erboben. An dieser haben
sich 508 Kreditgenossenschaften beteiligt. Um wenigstens ein Bild über die
Leistungen der Kreditgenossenschaften zu geben, sei mitgeteilt, daß bei den
erwähnten Kreditgenossenschaften im Jahre jols in der Seit vom 15. Juli