Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

40 Dr. Otto Hoetzsch 
übersehen sind, er schafft wohl auch Gebietsveränderungen, die auf diese 
Frage einwirken, alles das macht es unmöglich, heute schon praktisch eine 
Lösung zu finden, so wenig das der drängenden Ungeduld sympathisch sein 
mag. Auch läßt es sich gar nicht vermeiden, dann naturgemäß auch die 
Gegensätze auszusprechen, die nun einmal in solchen Wirtschaftsfragen vor- 
handen sind, und das wollen wir heute in unserem Derhältnis zu Ester- 
reich-Ungarn vermeiden. Aber nachdenken darüber, lernen, das Material 
verstehen muß jeder, der ein Herz für die Gukunft unseres Bundes hat. 
b) Die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und 
GEsterreich-Ungarn. 
1. Mit den wirtschaftlichen Zeziehungen ist die fernere Entwicklung des 
Bündnisses nicht erschöpft. Da erhebt sich vor allem die Frage, wie 
militärisch die Beziehungen auch im Frieden anzulegen sind. Dafür ist 
das Schlagwort der Abschluß einer Militärkonvention zwischen den beiden 
Reichen. Taturgemäß kann davon heute wenig gesprochen werden; das 
wird vornehmlich ein Werk der hobhen Militärs, der Generalstäbe sein. Aber 
klar muß sich auch jeder darüber werden, daß das politische und wirtschaft- 
liche Bündnis durch feste militärische Abreden schon während des Friedens 
ergänzt werden muß, über Organisation und Rüstung und Erziehung in 
der Armee, alles unter dem Gesichtspunkte, daß die unbedingte Gleich- 
artigkeit und gleiche Schlagfertigkeit gesichert ist. 
Uur soll man bei diesen Erwägungen eines nicht vergessen. Bismarch 
und Andrassy haben den Bund geschlossen als ein Bündnis zweier selb- 
ständiger Staaten, zweier Souveräne, und das bleiben diese Staaten und 
Souveräne trotz aller engen Derbindung auch nach dem KMriege. Auch 
diese Frage muß durchgedacht werden; man prüfe, inwieweit Forderungen, 
etwa einen „Oberstaat“ über beide Reiche zu errichten, sich vereinigen lassen, 
und man rüste sich vor allem mit geschichtlicher Kenntnis aus der Seit des 
Deutschen Zundes aus. Michts ist notwendiger für ein Urteil über diese Fragen, 
als daß man die Kämpfe der Geschichte aus der Seit des Deutschen Zundes 
kennt. Sie sind, so entlegen sie uns scheinen, ummittelbar lehrreich für das 
politische Denken der Gegenwart. Und daraus ergibt sich noch ein Weiteres. 
2. Die schweren ationalitätenkämpfe die die österreichische Reichs- 
hälfte vor allem erschüttert haben, haben in den achtziger und neunziger 
Jahren, auch in dem ersten Jahrzebnt des 20. Jahrhunderts die Sweifel an 
der Sukunft Gsterreich-Ungarns überhaupt wachgerufen. 0110 zählte die Ge- 
samtmonarchie (selbstverständlich mit Einschluß von Bosnien und Herzego- 
wina) in runden Gahlen unter 51 Millionen Einwohnern 12 Millionen 
Deutsche, 10 Mill. Ungarn, 8,4 Mill. Tschechen, Mähren und Slowaken, 
5,5 Mill. Serbo-Kroaten, 5 Mill. Holen, 3,0 Mill. Ruthenen, 3,2 Mill. 
Rumänen, 1,5 Mill. Slowenen, 800 000 Italiener und 800 000 andere. Ist 
in diesem NMationalitätenbündel, in dem keine die absolute Mehrheit hat, 
aber die fast 24 Mill. Slawen die 26 Mill. ichtslawen ausbalancieren könn- 
ten, wenn nicht bei ersteren Holen und Ruthenen, bei letzteren Ungarn und 
Rumänen sich feindlich gegenüberständen, überhaupt eine höhere Einheit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.