II. Die Beziehungen zwischen Deutschland und seinen Verbündeten 45
festgesetzt. Jhr Volkscharakter ist stark genug gewesen, sich zu erhalten, ob-
wohl er äußerlich slawisiert wurde. Es ist keine Spielerei, wenn wir hier
auf diesen wichtigen Punkt hinweisen, weil er eine sehr bedeutungsvolle
Frage auch für die Zukunft unserer Bündnisbeziehungen aufwirft. Wer mit
Bulgaren zusammenkommt, merkt sehr bald, daß sie in vielen Dingen gar
nicht der Vorstellung entsprechen, die man sich von den Slawen gemacht
hat. Und auch die Art, wie die Bulgaren ihren Staat aufgebaut haben
und einrichten, ist anders, als wir es bei den Slawen gewöhnt sind. Man
braucht ja nur in all diesen Beziehungen die bulgarische und serbische Art
und Geschichte miteinander zu vergleichen, um diesen springenden Punkt
des Gegensatzes zu erkennen. Dem Slawentum fehlt, mögen seine sonstigen
Eigenschaften sein, welche sie wollen, in jedem Falle der Sinn und die Fähig-
keit, Staaten zu bilden und dauernd zu erhalten. Wo innerhalb des Slawen-
tums dergleichen gelungen ist, wie namentlich die Bildung des gewaltigen
Russischen Reiches, ist das darauf zurückzuführen, daß das Element, das
diesen Staat schuf, nicht rein slawisch war, sondern, wie die Großrussen, aus
einer Dermischung zwischen GOstslawen und Finnen, also den Bulgaren
wesensverwandten Dölkern hervorgegangen ist. Und so ist dieses Ergebnis
der Rassengeschichte für die deutsch-bulgarischen Zeziehungen doch recht
wertvoll. Don allen Balkanvölkern ist in den Bulgaren das in jeder Be-
ziehung, wenn der Ausdruck gestattet ist, staatlichste Dolb auf unsere Seite
getreten. Darum können wir auch mit gutem Dertrauen in die Sukunft
blicken, in der das durch diesen Krieg geborene Großbulgarische Reich seine
dauernde innere GOrdnung finden und die Führung innerhalb des Kreises
der selbständig bleibenden Balkanstaaten übernehmen soll.
2. Seigten schon nach der Berkunft des olkstums die Tendenzen nach
Osten, so wurde das noch mehr durch die Religion und Sprache verstärkt,
die dieses aus Asien hereingekommene Wandervolk annahm. In bezug auf
die Religion nahmen sie die griechische Religion von Byzanz an, so wie die
Russen, und daher sind heute die Bulgaren Bekenner der griechisch-katholi-
schen Kirche, aber unter einer eigenen selbständigen Kirche, einem Exarchen,
der von einem „Synod" umgeben ist. Die alte Abhängigkeit ihrer Kirche von
der griechischen Kirche, vom Hatriarchen in Konstantinopel, ist bereits im
Jahre 1870 zerschnitten worden, als damals ein selbständiges bulgarisches
Exarchat gebildet wurde. GOhne Sweifel liegt in der Sugehörigkeit zu dieser
LKonfession ein starkes Band geistiger Beziebungen zu dem Hauptträger der
griechischen Kirche, zu dem Russischen Reiche. Es ist daher kein SGrfall,
wenn die Bulgaren in diesem Krieg auch darin weiterhin selbständig vor-
gehen, auch in Dingen, die uns gleichgültig erscheinen. So hat man 1916
den Kalender der griechischen Kirche abgeschüttelt und die gregorianische
Seitrechnung angenommen, während bis in die ersten Monate 1916 herein
die bekannte Differenz von 13 Tagen auch zwischen unserem und dem
bulgarischen Kalender bestand. Aber daran ist festzuhalten, daß in der Zu-
gehörigkeit zur griechischen Kirche, in der Hriesterschaft starke Momente der
Beziehungen zu Rußland nach wie vor lebendig sind, die nicht so schnell
völlig beseitigt werden.