Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

II. Die Beziehungen zwischen Deutschland und seinen Verbündeten 37 
zeit zur Derfügung zu haben. Noch deutlicher trat dieser Gesichtspunkt in 
der großen Seitenlinie hervor, die seit 100| in der sogenannten Hedschas- 
bahn von Damaskus aus nach den heiligen Städten von Ulekka und Uledina 
gebaut wurde und die mit der eigentlichen anatolischen Bahn in Aleppo 
verbunden ist. Diese Bahn, die die türkische Armee ihrem Sultan Abdul 
Hamid zum Regierungsjubiläum schenkte und die ebenfalls von einem 
Deutschen, Meißner Hascha, gebaut wurde, sollte den Hilgerverkehr nach 
den heiligen Stätten des Islams erleichtern und so den Mohammedanern 
der ganzen Welt die Macht und Größe des Sultans, des Kalifen, vor Augen 
führen. Sie sollte aber noch mehr ein Mittel militärischer Beherrschung 
gegenüber Arabien bieten, in dem die englischen Intrigen die ewig unruhigen 
Wüstenstämme und ihre Scheichs fortwährend für sich benutzten. Ghne 
eigenes Kapital, war die Türkei aber nicht in der Lage, diese Eisenbahn- 
linien zu bauen. Don den Staaten, die ihr helfen konnten, kam allein 
Deutschland in Frage, das alle Mittel dazu besaß und zugleich das einzige 
Land war, das von der Türkei selbst nichts wollte. 
Auf dieser Grundlage wurde nach jenen Anfängen von 1888 im Jahre 
1800 die erste große Konzession für diesen Bahnbau zwischen der Türkei 
und dem verstorbenen Georg von Siemens, als Dertreter der Deutschen 
Bank, abgeschlossen. Deutschland übernahm also diese Arbeit nicht offiziell, 
sondern eine Großbank übernahm sie als ein Geschäft, das natürlich Gewinn 
abwerfen sollte, aber zugleich auch politische Zedeutung hatte. Damals 
sind an diese Hläne gleich sehr weitgehende Hoffnungen geknüpft worden, 
die dem Urteil über die Bedeutung der Bagdadbahn unendlich geschadet 
haben. Geschadet hat diese Agitation vor allem deshalb, weil sie in Deutsch- 
land verkehrte vorstellungen von dem erweckte, was die Bagdadbahn über- 
haupt bringen kann, und weil sie das Mißtrauen der Türkei und die Gegner- 
schaft Englands geradezu mit Gewalt wachrief. Denn als diese Bagdadbahn= 
pläne zunächst nur in Anatolien vorangingen, wurden ähnliche IJdeen, aber in 
ganz anderem Gusammenhange, auch in England laut. Daß das alte Swei- 
stromland, heute größtenteils eine Wüste, durch Wiederherstellung der Bewässe- 
rungsanlagen zu seiner alten Blüte, von der das Alte Testament meldet, 
wieder erweckt werden kann, das wußte man auch in England. In Agppten 
hatte man auch bereits praktische Erfabrungen dafür gemacht. Sugleich ent- 
stand die JSdee etwa 10904, Indien und Agppten zur größeren Sicherung 
für das britische Weltreich durch eine Eisenbabhn zu verbinden. Sieht man 
die Karte an, so liegt auf der Hand, daß diese Bahn quer durch wesentliche 
Teile der Asiatischen Türkei gehen muß und so vor allem Mesopotamien 
und den weitaus größten Teil Arabiens für England beansprucht. Das war 
auch die Absicht und das Siel der englischen Holitik und darum wurde sie 
der Gegner der Türkei, der auf ihre SGerstückelung ausgeht. Damit aber trat 
sie in einen Gegensatz zu Deutschland und zu den deutschen Bahnbauten 
in der Türkei, die die englischen kreuzten und durchschnitten. Dieser Wider- 
spruch zieht sich nun durch die ganze Geschichte der Bagdadbahn hindurch. 
1908 wird die zweite, 1011 die dritte Konzession von der Türkei an Deutsch- 
land erteilt. Sugleich aber mußte das deutsche Interesse dabei Schritt für
	        
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