Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

III. Die wichtigsten feindl. Staaten nach ihren wirtschaftl. Beziehungen usw. 75 
Bundes so mißgünstig gegen Deutschland, daß die englische Regierung mit 
der damaligen freien Stadt Frankfurt a. M. einen Handels- und Schiffahrts— 
vertrag hauptsächlich zu dem Zweck abschloß, um von Frankfurt a. M. aus 
den Schmuggel mit englischen Waren nach dem Gebiete des preußisch— 
deutschen Zollvereins zu fördern. 
a) Als wir nach der deutschen Revolution von 1848 so kühn waren, an eine 
deutsche Bundesflotte zu denken, da hieß es in England: Man kenne keine 
deutsche Flagge, und Schiffe mit einer solchen würden als Piraten behandelt 
werden! Noch im Jahre 1861 ließ Lord Palmerston schreiben, die Deutschen 
möchten wohl den Boden pflügen, mit den Wolken segeln oder Luftschlösser 
bauen, nie aber seit dem Anfange der Zeiten hätten sie den Genius gehabt, 
das Weltmeer zu durchmessen, die hohe See oder selbst nur die kleinen Ge— 
wässer zu befahren! Dann kam die Reichsgründung, der Milliardenzufluß 
infolge der französischen Kriegsentschädigung und der Beginn des modernen 
deutschen Industriezeitalters. Man weiß, wie wenig vollkommen ein Teil 
unserer gewerblichen Leistungen damals zu Anfang war. Es fehlte noch an 
der wissenschaftlichen Eigengrundlage für eine deutsche Großindustrie. „Billig 
und schlecht!“ So lautete auf der Weltausstellung in Hhiladelphia das Urteil 
unseres eignen Reichskommissars über die deutsche Ware, und wenn man 
vielleicht auch schon damals sagen konnte, der Ausdruck sei in seiner Alllge- 
meinheit übertrieben gewesen, so blieb doch auf jeden Fall ein Stück Wahr- 
heit in ihm übrig. 1887 erging das englische Markenschutzgesetz, wonach alle 
nach England eingeführten Waren die Bezeichnung des Ursprunglandes 
tragen mußten. Es war gegen Deutschland gemünzt, vor dessen „billiger 
und schlechter“ Konkurrenz man sich in England schützen wollte. Die deutsche 
Industrie wurde also bereits als unbequem empfunden, doch war die Meinung 
die, daß es genügen würde, einen eingeführten Artikel als deutsch, als 
made in Germany, mit andern Worten also als minderwertig zu bezeichnen, 
um den einsichtigen Engländer davon abzuhalten, daß er ihn kaufe. An einen 
wirklichen Wettbewerb Deutschlands auf dem Weltmarkt, einen Wettbewerb, 
durch den die industrielle und handelspolitische Dorherrschaft Englands in 
Frage gestellt werden könnte, dachte wohl noch niemand. 
Sogar 1890, als England uns Helgoland für einen hohen Hreis überließ, 
fehltte auf der englischen Seite offenbar noch der Gedanke an eine zukünftige 
„deutsche Gefahr“. Bald danach aber begann ein wachsender Teil der eng- 
lischen öffentlichen Meinung den deutschen Wettbewerb als eine solche im 
nationalen Sinne zu betrachten. Das Wort „Krieg“" fällt für die Zukunft 
der englisch-deutschen Zeziebungen mit starkem politischen Machdrucke zuerst 
in einem Artikel der Londoner Wochenschrift „Saturdap Review“ von 1897. 
In Deutschland erregte der hier rücksichtslos verkündigte englische Stand- 
punkt, daß auf der Welt nicht platz für die handelswirtschaftliche 
Betätigung beider großer Dölker sei, und daß man auf der englischen Seite 
keine Bedenken tragen werde, Deutschland wegen seines Bandels von sound- 
soviel hundert Millionen HPfund anzugreifen, die größte Aufmerksamkeit. 
Der Artikel der „Saturdap Review“ ist von seinem Erscheinen an bis heute 
nie wieder aus der Erörterung über die deutsch-englischen Beziehungen ver-
	        
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