Full text: Das Buch von unsern Kolonien.

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ihre Stimme erhoben, damit für die Auswanderer, die nach Amerika 
gingen, größere Fürsorge getroffen wurde. Man begann sich wenigstens 
für das Schicksal dieser Unglücklichen zu interessieren, die, von schurkischen 
Agenten betört, nach Nord- und Südamerika gingen, um hier zu weißen 
Sklaven, zu willenlosen Knechten der Leute zu werden, mit denen sie 
Verträge abgeschlossen hatten, deren weittragende Bedeutung sie vorher 
nicht kannten. Unter diesen Männern verdient besonders J. J. Sturz 
hervorgehoben zu werden. Er opferte die fette Stellung eines brasi- 
lianischen Generalkonsuls und nicht unbeträchtliche ihm gebotene „Kopf- 
gelder“, um seine Landsleute vor dem Schicksal der Parceria-Sklaverei 
(Halbpartpacht) auf den brasiltanischen Kaffeeplantagen zu bewahren, 
Er schrieb u. a. eine Schrift, deren Titel allein genügt, um die Lage 
grell zu beleuchten. Sie hieß: „Die deutsche Auswanderung und ihre 
Verschleppung“. Und seine Forderung, daß Afrika ein „gemeinsames 
Indien“ der europäischen Völker werden solle, führte im Jahre 1885 
zur Bildung des Kongostaats als einer beständig neutralen Kolonie, 
wenn auch unter belgischem Protektorat und neuerdings belgischer 
Suzeränität. 
Es muß zur Ehre unseres Volkes erwähnt werden, daß Sturz durch 
eine öffentliche Sammlung und durch ein festes Gehalt von 1000 Talern 
seitens des preußischen Auswärtigen Amts für seine Opfer schadlos ge- 
halten wurde. Volk und Regierung bekundeten dadurch, daß sie der 
Tatsache der deutschen Auswanderung nicht mehr achtlos gegenüberstehen 
wollten. Südamerika, wo sich in den gemäßigten Provinzen Brasiliens, 
dtio Grande do Sul und Santa Catharina, und in den La Plata-Ländern 
größere deutsche Siedlungen gebildet hatten, die unter fremder, zum 
Teil drückender Herrschaft den heimatlichen Pflug führten und z. B. von 
Porto Alegre aus emsig die Küstenschiffahrt betrieben, begann den Ein- 
fluß eines aufstrebenden Deutschen Reiches zu fühlen und ihm durch 
größere Duldung Rechnung zu tragen. 
Dies führte endlich im Jahre 1896 zu der Wiederaufhebung des 
ursprünglichen, aus dem Jahre 1859 stammenden sog. van der Heydtschen 
Reskripts, durch welches die Auswanderung nach Brasilien durchweg 
verboten worden war, was weit über die Vorschläge von Sturz hinausging. 
Man schätzt zurzeit die Zahl der Deutschen in jenen „Teilen“ auf 
etwa 250 000 Seelen, und dem Wunsche des deutschen Botschafters in 
Washington, des Freiherrn Speck v. Sternburg, daß diese deutsche Be-
	        
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