Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

272 Der Feldzug in Galizien und Südpolen bis zum 15. Sept. 1914 
obachtung von Iwangorod einzunehmen, so war dem Vormarsch der Armee 
Oankl der Weg freigegeben; er fübrie aber in exzentrischer NRichtung. 
Oieser Aufmarsch des österreichisch-ungarischen Nordheeres baute also in 
einer Frontstellung vom Ibrucz bis zur Weichsel oder, nach Orten bestimmet, 
von Czernowiß bis Zawichost drei Armeen und die Abteilung Köveß auf, 
während die 2. und die 5. Armce gegen Serbien in den Kampf traten. 
Die strategische Lage am 18. August 
Begleitet vom Lärm der Gefechte an den östlichen Grenzen und in 
Südpolen, vollzog sich der österreichische Aufmarsch nach dem festgestellten 
Dlane und war in gutem Fluß, als am 14. August die Fernauflklärung durch 
die Flieger einsecte, denen am DTage darauf die Reiterverbände folgten. 
Die berühmte österreichisch-ungarische Reiterei prallte ungestüm vor und 
stieß bald auf starke russische Geschwader und Abteilungen gemischter Waffen, 
die kühn angefallen wurden. Am Ibrucz, am Bug und im versumpften 
und versandeten Gebiet des DTanew entspannen sich lebhafte Kämpfe. Der 
russische Schleier wurde jedoch nur wenig gelüftet, denn das bewaldete, 
tiefräumige Gelände bot dem Feinde den besten Schut. Bergeblich war 
eine waghalsige Unternehmung ungarischer Honveds, die bei Satanow über 
den Zbrucz setzten und bis Kuzmin vordrangen, dort feindliche Kavallerie 
Über den Haufen warfen und bis zum Smotryczbach verfolgten. Feuer 
aus verdeckten Waldstellungen zwang die Husaren zum Rückzug, auf dem 
sie durch einen nächtlichen Aberfall schwere Verluste erlitten hatten. Immer- 
hin hatten die Erkundungen ergeben, daß die russischen Grenzkorps schon 
versammelt waren und sich von der Weichsel bis zum Onzjestr scharf an die 
Grenzen herangelegt hatten. 
Am 18. August war die Lage vermutungsweise so weit geklärt, daß 
man große russische Massen bei Lublin und an der Bahn Brest-Litows#et— 
Iwangorod annahm, Meldungen von der Anwesenheit stärkerer Kräfte im 
wolhynischen Festungsdreieck besaß und russische Truppen in der Richtung 
von Kiew auf Proskurow in Bewegung glaubte. Sichere Kunde war nicht 
zu erlangen, doch entsprachen die gewonnenen Anhaltspunkte noch in ge- 
wissem Amfang der gewünschten Lage, obwohl man geglaubt hatte, daß 
der Dormarsch der russischen Armeen nicht so nahe bevorstehe. Vollständig 
im Ungewissen blieb man über die Stellung und die Absichten der russischen 
Hauptstoßgruppe. Niche ohne Besorgnis sah die ssterreichisch-ungarische 
Heeresleitung den Feind stärker, näher und schlagfertiger auftreten, als man 
vorausgesetzt hatte. Der Vorsprung, den Rußland durch seine Bereitschafts- 
stellung schon im Frieden gewonnen und durch die früh einsetzende Mobil- 
machung noch weiter ausgedehnt hatte, begann sich sofort fühlbar zu machen.
	        
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