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und dabei auch auf die Verbindung hinzuweisen, in die man mit der ungarischen
Agitationspartei getreten sei.“) Dieses Telegramm ist neuerdings in einer
Broschüre des Generals Lamarmora abgedruckt worden, und Graf Usedom hat
nicht in Abrede stellen können, daß es mit seinem Vorwissen — wahrschein-
lich durch seine Frau Gemahlin — zur Kenntnis des Generals gebracht
worden sei. Dieser Mißbrauch seiner amtlichen Stellung hat den Zorn des
Grafen Bismarck umsomehr erweckt, als sich derselbe nur sehr ungern an die
Verbindung mit Ungarn erinnern lassen soll. Graf Usedom ist aber ein Lieb-
ling des Königs, und die Genehmigung seiner Entlassung ist erst nach einigen
heftigen Scenen zwischen Sr. Majestät und dem Grafen Bismarck erfolgt.
Man behauptet sogar, daß der letztere teils wegen dieser Vorkommnisse, teils
wegen der Frankfurter Auseinandersetzungsangelegenheit dem König erklärt
habe, daß er nicht länger im stande sei, die Geschäfte fortzuführen. Bei der
jetzigen Lage der Dinge wäre dies eine große Kalamität, die doch nun wohl
abgewendet sein wird. Eine starke Verstimmung soll indes doch bei dem Grafen
Bismarck zurückgeblieben sein und daraus auch kein Geheimnis von ihm gemacht
werden.“““)
*
Berlin, 12. März 1869.
An Frau Wanda v. Koethe.
„Gestern um 9½ Uhr mußte ich in das königliche Palais zur Soirée, wo
mir mein Platz am Tisch der Kronprinzessin zwischen der Fürstin Schönburg
*) Die am 13. Juni 1866 von Bismarck an Usedom gerichtete Depesche (Kohl, Bis-
marck-Regesten Bd. I., S. 285, datirt dieselbe vom 12. Juni) soll nach der deutsch-feind-
lichen „Correspondence du Nord-Est“, woselbst die erste Veröffentlichung erfolgte, gelautet
haben: „Berlin, 13. Juni 1866. Bestehen Sie energisch bei der italienischen Regierung
darauf, daß sie sich mit dem ungarischen Komite in Verbindung setzt. Die abschlägige
Antwort des Generals Lamarmora gibt uns zu dem Verdachte Veranlassung, als ob
Italien nicht die Absicht hege, Oesterreich gegenüber ernstlich Krieg zu führen. Wir sind
bereit, die Feindseligkeiten in der künftigen Woche zu beginnen. Gleichwohl würde ein
fruchtloser Kampf von seiten Italiens in dem Festungsviereck unser Mißtrauen nur ver-
mehren . .. v. Bismarck.“
**) In dem Anfang März 1869 eingereichten Entlassungsgesuche Bismarcks heißt
es: „Um die Entlassung Usedoms habe ich Ew. Majestät zuerst im Jahre 1864 gebeten,
und die meisten der jetzt aktenmäßig konstatirten Beschwerden über diesen Gesandten schon
damals und seitdem öfter geltend gemacht. Meine Ew. Majestät vorgetragenen Korre-
spondenzen mit Usedom über seine Pflichtwidrigkeiten aus dem Jahr 1864 bis jetzt füllen
Aktenbände, an denen ich viele Stunden und manchen Tag unter körperlichen Leiden und
in schwerem Drange anderer Geschäfte zu arbeiten gehabt habe. Am Sonntag vor acht
Tagen erlaubte ich mir, Ew. Majestät mündlich zu erklären, daß meine Ehre mir verbiete,
mit dem Grafen Usedom länger zu dienen, und ich glaube, daß Ew. Majestät unter
kameradschaftlichen Verhältnissen im Militär und in Stellungen, welche minder bedeutend
für die Geschicke des Landes sind, dieser Auffassung sofort beigetreten sein und mir gestattet.
baben würden, darnach zu verfahren.“ Graf Usedom wurde demnächst veranlaßt, seinen
Abschied zu nehmen. (Bismarck-Jahrbuch Bd. I., S. 81 ff.)