Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

und der Fürstin Carolath angewiesen wurde. Die letztere ist doch noch auf- 
fallend hübsch, obgleich sie etwas schmaler geworden ist und an Frische verloren 
hat; jedenfalls war sie sehr gesprächig und liebenswürdig, so daß mir der 
Abend schneller verging, als ich erwartet hatte. Im Konzert sangen Herr 
Woworsky und Frau Lucca, die ihre Operation glücklich überstanden hat und 
alle Welt entzückte. Dann folgten zwei französische Lustspiele, die sehr unbe- 
deutend waren, aber recht gut gespielt wurden. Es war aber auch schon nahe 
an der zweiten Stunde, als ich zur Ruhe kam. 
* 
Berlin, 18. März 1869. 
An Frau Wanda v. Koethe. 
„Es ist, als ob ich hier festgeschmiedet wäre. Gestern war bereits alles 
zu meiner heutigen Abreise vorbereitet, die Koffer waren gepackt, die Karten 
p. p. c. ausgetragen, da kam die Einladung zu einer Sitzung des Justizaus- 
schusses zur Beratung des sächsischen Antrags wegen Errichtung eines obersten 
Bundesgerichtshofs für Handels= und Wechselsachen. Die Sache interessirt mich, 
ich war ja auch noch am Ort, folgte also der Einladung. Wir saßen über 
3 Stunden, ohne fertig zu werden, da von Lübeck starke Opposition gemacht 
wurde; auch zeigte sich, daß die Stimmen für und wider — von mir abge- 
sehen — gleich geteilt waren. Preußischerseits legt man nun einen sehr hohen 
Wert darauf, daß der Antrag, den ja der König schon in seiner Thronrede 
hervorgehoben hatte, genehmigt werde und schon in dem Ausschuß eine Majorität 
erlange; ich wurde daher, da ich mich ebenfalls für den Antrag ausgesprochen 
hatte, nach der Sitzung von den preußischen Herren in der dringendsten Weise 
gebeten, meine Abreise bis nach Beendigung der Ausschußberatung zu verschieben. 
Eine gänzliche Ablehnung war unter solchen Umständen in der That unmöglich; 
ich erklärte mich daher bereit, zu bleiben, wenn mir zugesichert werde, daß die 
Beratung im Laufe des heutigen Tages zu Ende geführt werden solle, da ich 
Freitag früh jedenfalls abreisen müsse. Der Herr Vorsitzende erteilte mir die 
Zusicherung und erklärte sich seinerseits bereit, wenn nötig, bis Mitternacht 
zu sitzen. 
„Ich erwarte nun das weitere; wie es aber auch kommen möge, sicher ist, 
daß ich an meiner Erklärung festhalte und morgen früh abreise. Sind es doch 
nun schon fast 5 Wochen, daß ich hier ausharren muß. Hätte ich wenigstens 
während dieses langen Aufenthalts einen kurzen Ausflug nach Dresden unter- 
nehmen können. Die Zeit dazu würde sich wohl gefunden haben; es war aber 
unmöglich, weil man über die Sitzungen niemals etwas sicheres im voraus 
erfahren kann, und sich daher erst nachträglich, d. h. wenn es zu spät ist, 
davon überzeugt, daß man ganz gut einige Tage hätte fortkommen können. 
„Es ist dies um so ärgerlicher, als ich jetzt in Gotha so viel zu thun 
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. I. 7
	        
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