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ihm aber, was Charakter und Fähigkeiten betrifft, alle Gerechtigkeit widerfahren
lassen.
„Bei Herrn v. Watzdorf war ich heute früh eine ganze Stunde; habe
vielerlei mit ihm durchgesprochen. Morgen mittag 12 Uhr ist Plenarsitzung
zur Weiterberatung der Gewerbeordnung. Wenn wir morgen fertig werden,
komme ich den Dienstag nachmittag, sonst den Mittwoch nachmittag. Donners-
tag nach Ostern geht die Sache wieder los. Ob ich hierher zurückkehren werde?
Ich glaube es fast, wenigstens wohl für einige Zeit. Im Bundesrat herrschte
gestern etwas Verstimmung darüber, daß Graf Bismarck in der Reichstags-
sitzung über die Redefreiheit eine andere Erklärung abgegeben hatte, als ver-
abredet war.
„Die höchste Ordre Serenissimi ist gewiß aus seiner eigenen Feder geflossen
und muß Dir sehr wohl gethan haben; ich kann's dem alten Herrn nachfühlen,
wie schwer ihm die Trennung von Dir geworden ist. Einen treueren ersten
Diener möchte er so leicht nicht wiederbekommen.“
13. Schwarzburg-MRudolstadt.
Staatsminister v. Bertrabs)
(geboren 15. Juli 1818, gestorben 2. Dezember 1887).
Staatsminister v. Bertrab, welcher Rudolstadt von 1867—1878 im Bundes-
rat vertreten hat, ist vom 13. Dezember 1851 bis zu seinem am 2. Dezember
1887 erfolgten Tode an der Spitze des dortigen Ministeriums verblieben.“)
In dem ihm damals gewidmeten Nachrufe wurde der Umfang seiner
Kenntnisse, die hervorragende Schärfe seines Verstandes, fester, zielbewußter
Wille, unerschütterliche Gerechtigkeitsliebe, seltene Arbeitskraft und Geschäfts-
gewandtheit, nie versagendes Wohlwollen und aufopfernde Hingabe an die
*) Jakob Hermann v. Bertrab, Dr. jur., geboren in Göttingen am 15. Juli 1818
als der Sohn eines hannoverschen Justizbeamten, besuchte das Gymnasium Josephinum in
Hildesheim, studirte die Rechte in Göttingen und Berlin, trat im Jahre 1841 in den
preußischen Staatsdienst als Kammergerichtsauskultator, wurde 1843 Kammergerichts-
referendar, 1846 Kreisgerichtsassessor, 1848 Assessor beim Oberlandesgericht in Ratibor,
1849 Staatsanwalt bei den Kreisgerichten Prenzlau, Templin und Angermünde und trat
am 1. Juli 1850 als Oberstaatsanwalt bei dem Appellationsgericht in Eisenach in den
Dienst der zwischen dem Großherzogtum Sachsen-Weimar und den beiden Fürstentümern
Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen begründeten Gerichtsgemein-
schaft über.
**) „In den kleinen Staaten bleiben die Minister auffallend lange im Dienst. Je
weiter die Kreise, desto schärfer stoßen in ihnen die Interessen zusammen; je vielfältiger
das Arbeitsfeld, desto leichter nützt sich auf ihm die Persönlichkeit des ersten Arbeiters ab.
Es begreift sich das. Denn je reger das werdende Leben im Staate, desto früher verlangt
es nach neuen Trägern oder Werkzeugen seiner neuen Ideen.“ (Aus dem Gedenkblatt zum
fünfundzwanzigjährigen Ministerjubiläum des Freiherrn v. Seebach.)