II. Abschnitt.
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Der Bundesrat zum erstenmal bei der Arbeit.
Die Neuwahlen für den ersten Reichstag des Norddeutschen Bundes fanden
Ende August statt. Dem Zusammentritt desselben stand also von Mitte Sep-
tember ab kein Hindernis im Wege, sobald sich Bismarck und der Bundesrat
über das Arbeitspensum des Reichstags geeinigt hatten.
Der Stoff für die Vorlagen, welche der Bundesrat für den Reichstag
vorzubereiten hatte, war in der Bundesverfassung vorgezeichnet. Eine Reihe
gesetzgeberischer Maßregeln war auch bereits durch langjährige Agitationen und
Vorarbeiten so sehr gereift, daß der Bundesrat schleunigst damit befaßt werden
konnte. Im einzelnen ist in Einhaltung der in der Bundesverfassung adoptirten
Reihenfolge Nachstehendes zu bemerken.
1. Wundesgesetzgebung (Artikel 2—5 der Verfassung).
Dringlich erschien vor allem die Regelung der Freizügigkeit. ') Die
Bundesverfassung leistete in dieser Beziehung immerhin schon etwas, indem sie
die Bundesangehörigen in allen Einzelstaaten den Einheimischen gleichstellte.
Aber da die Einheimischen in vielen Staaten sehr schlecht gestellt waren, so
bedurfte es einer Ergänzung, welche das materielle Recht der Zugfreiheit inner-
halb des Bundesgebiets sicherstellte. Ein von Bismarck dem Bundesrat vor-
gelegter Gesetzentwurf, betreffend die Freizügigkeit, welcher im wesentlichen die
Geltung des preußischen Niederlassungsgesetzes vom 31. Dezember 1842 auf
das ganze Bundesgebiet ausdehnte, erlangte die Genehmigung des Reichstags.
Gesetz vom 1. November 1867 (Bundes-Gesetzbl. S. 55).
Dicht hieran knüpfte sich eine weitere gesetzliche Maßregel, die ohne Verzug
durchgeführt werden konnte und vermöge einer gleichen humanen Tendenz den
Wert der neugeschaffenen staatlichen Ordnung dem letzten Gesellen und Arbeiter
zum Bewußtsein bringen und die Liebe zu derselben erwecken und beleben
*) Zu vergleichen der Artikel „Die Freizügigkeit im Norddeutschen Bunde“ in der
„National-Zeitung“ Nr. 393 vom 24. August 1867.