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Rudolstadt, Reuß j. L. und Lippe stellten und motivirten den Antrag:
der Bundesrat wolle noch im Laufe dieser Session die Beseitigung der lediglich
nach der Bevölkerung aufzubringenden Matrikularbeiträge in Erwägung ziehen.
Ueber das Schicksal dieses Antrags hat nichts verlautet.“)
8. Schlichtung von Streitigkeiten.
Unter den von Privaten an den Bundesrat gerichteten Eingaben nahm
allgemeines Interesse nur die Beschwerde des Rostocker Rats wegen
Hemmung der Rechtspflege. Der Rostocker Rat bildete das Richter-
kollegium zweiter Instanz in der Untersuchung gegen die Mitglieder des National-
vereins, dessen freisprechendes Erkenntnis in sehr beleidigenden und aufreizenden
Formen landesherrlich kassirt und durch ein verurteilendes Erkenntnis ersetzt
worden war, welches auszuführen der Rat selbst durch militärische Exekution
gezwungen war. Er wollte nun eine Klage wegen Vergewaltigung und Ein-
griffe in die Rechtspflege gegen die Regierung anstellen, diese aber verweigerte
die Eröffnung des Rechtsweges. Der Bundesrat verweigerte die Einlassung
auf die Beschwerde, da — wie es im Bescheid vom 14. Dezember 1867 heißt
— ihr Gegenstand in die Zeit vor Errichtung des Bundes falle.
Rückblick.
Auf die beschleunigte Erledigung der Geschäfte im Vergleich zu dem früheren
deutschen Bundestag wirkte hauptsächlich die Stellung der Bevollmächtigten
gegenüber ihrer eigenen Regierung hin. Am Bundestag in Frankfurt waren
es Gesandte, welche nur nach den Instruktionen ihrer Regierungen zu handeln
oder vielmehr zu stimmen hatten, in der Regel das vom Hause ihnen vor-
geschriebene Votum verlasen und zu Protokoll gaben. Im Bundesrat war
hiervon nicht die Rede; es wurde diskutirt und durch Aufstehen oder Sitzen-
bleiben abgestimmt über einen bestimmt formulirten Antrag, wie in jedem
andern Kollegium, nur allerdings mit der Eigentümlichkeit, daß zum Beispiel
für alle anwesenden Preußen, für alle anwesenden Sachsen u. s. w. nur je
eine Stimme abgegeben wurde, die aber respektive für siebenzehn, für vier
und so weiter oder nur für eine Stimme zählte. Ohne Zweifel pflegte auch
beim Bundesrat jeder Bevollmächtigte in allen wichtigen Angelegenheiten, namentlich
in solchen, die für einen Staat von besonderem Interesse sind, sich thunlichst
über die Ansichten seiner Regierung zu informiren und sich darnach oder nach
*) Nach einer Notiz der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Nr. 226 vom 27. Sep-
tember 1867) hatten sich die deutschen Standesherren an das Präsidium des Norddeutschen
Bundes gewandt, um für ihre innerhalb des früheren Deutschen Bundes garantirten Rechte
seitens des Norddeutschen Bundes diejenige Garantie zu erbalten, welche ihnen der auf-
gelöste Deutsche Bund nicht mehr zu gewähren vermochte.