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Geheimer Ober-Finanzrat Wollny')
(geboren 8. März 1816, gestorben 1. Oktober 1887).
Der Umstand, daß in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 10. Februar
1863 die Regierung für das Finanzministerium nur kommissarisch durch den
Geh. Finanzrat Wollny vertreten war, veranlaßte den bekannten Beschluß des
Abgeordnetenhauses, die Verhandlungen auszusetzen und auf Grund des Art. 60
der Verfassung die Gegenwart der Minister zu verlangen.
Wollny vertrat im preußischen Landtag mit Geschick die Regierung in Sachen
der Beschlagnahme des Vermögens König Georgs V.“*) Er war übrigens von
Haus aus weniger Finanzmann als Jurist, wie er denn auch im Finanz-
ministerium die Stelle eines Justitiars bekleidete.
In direkte geschäftliche Beziehungen kam Wollny mit Bismarck in seiner
Eigenschaft als Vorsitzender in der von dem Norddeutschen Bund eingeleiteten
Enquete über das Hypothekenbankwesen.“) Den betreffenden Arbeiten hat Wollny
mit dem größten Interesse obgelegen; das Ergebnis der Enquete fand, als es
bekannt wurde, von sachkundiger Seite ungeteilte Anerkennung. Zum Beweise
möge ein Schreiben dienen, welches der verstorbene Professor Roscher in Leipzig
an Wollny richtete. Es ist vom 20. Juli 1870 datirt und lautet:
„Sie werden sich vielleicht wundern, wenn ein von Person Ihnen
völlig Unbekannter sich erlaubt, Ihnen die beifolgende eben erschienene Schrift
(Nationalökonomik des Ackerbaus, Band II. des Systems der Volkswirtschaft)
ergebenst zu überreichen. Ich habe indessen bei der Vorbereitung der neuen
Auflage die gedruckten Protokolle der von Ihnen geleiteten Enquete über das
Hypothekenbankwesen gründlich studirt und reiche Belehrung daraus geschöpft,
wie Seite 400—441 meines Buches davon Zeugnis ablegen. Außerdem aber
habe ich aus der Art und Weise, wie Sie das Ganze geleitet, eine so große
Hochachtung vor Ihrer Einsicht und Geschäftstüchtigkeit, mehr noch eine so warme
Verehrung für Ihre Person gewonnen, daß es mir Bedürfnis war, Ihnen dies
bei der ersten passenden Gelegenheit auszusprechen."“
*) 1841 zum Kammergerichtsassessor ernannt; am 10. Mai 1850 zum Stadtrichter
und unterm 25. Oktober 1854 zum Stadtgerichtsrat befördert. Während dieser Zeit war
er zugleich eine Reihe von Jahren hindurch als Syndikus der Kur= und Neumärkischen
Hauptritterschaftsdirektion beschäftigt. Aus der Stelle eines Stadtgerichtsrats wurde Wollny
im Anfange des Jahres 1860 als Hülfsarbeiter in das Finanzministerium berufen, am
23. September 1860 zum Geheimen Finanzrat und vortragenden Rat und im Jahre 1867
zum Geheimen Ober-Finanzrat ernannt. Nach 36jähriger Dienstzeit erbat und erhielt er im
Jahre 1872 seine Versetzung in den Ruhestand.
*“) Vgl. Kohl Bismarck Reden, Bd. IV. S. 112.
***) In einem Schreiben an das Bundeskanzler-Amt vom 15. März 1868 (abgedruckt
in meinem Werk „Aktenstücke zur Wirtschaftspolitik des Fürsten Bismarck“, Bd. V. S. 116)
erwähnt Bismarck ein Exposé Wollnys über die obenstehende Frage, mit dessen materiellem
Inhalt er sich im wesentlichen einverstanden erklären konnte.