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für Handel und Verkehr vernommen. Die Vernehmungen erfolgten auf Grund
vorher formulirter Fragen, welche jedoch nicht sowohl die Aufgabe der Enquete
zu erschöpfen, als vielmehr den Gang derselben im allgemeinen vorzuzeichnen
und durch Hervorhebung der wichtigsten Gesichtspunkte den Sachverständigen
einen Anhalt zu eingehender Darlegung ihrer Erfahrungen und Urteile zu geben
bestimmt waren. Den Vorsitz führte in allen Sitzungen der Bevollmächtigte
für Preußen, Geh. Ober-Finanzrat Wollny, seitens des Bundeskanzler-Amts war
der ständige Hülfsarbeiter Jungermann anwesend, die übrigen Bevollmächtigten
waren nicht regelmäßig zugegen. Den Vernehmungen lagen anfangs 7, später
10 Fragen zu Grunde und sie geschahen meistens derartig, daß der Vorsitzende
diese Fragen zergliederte und dann die Sachverständigen antworten ließ.
Das Ergebnis der Engquete legte Bismarck Ende Oktober 1868 dem
Bundesrat vor, und er gestattete demnächst auch eine Veröffentlichung der
gewonnenen Materialien.) Wie man hörte, sprachen sich die Bundesratsaus-
schüsse für Justizwesen und für Handel und Verkehr ganz entschieden gegen die
Errichtung von Staatskreditinstituten, wie auch gegen die Gewährung
von Staatshilfe oder Privilegien zur Förderung des Realkredits aus. Die
andere angeregte Frage in Betreff der Normativbedingungen für die
innerhalb des Bundesgebiets zu errichtenden Kreditinstitute blieb aber ungelöst.
Patentwesen. Am 10. Dezember 1868 regte Bismarck mit folgendem
Schreiben?“) die Regelung der Patentfrage bei dem Bundesrat an:
„Unter den Gegenständen, welche die Verfassung des Norddeutschen Bundes
der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des letzteren unterwirft, befinden sich auch
die Erfindungspatente (Art. 4 Nr. 5 der Verfassungsurkunde vom 26. Juli 1867).
Bei den vielfachen und begründeten Klagen, welche über den mangelhaften
Zustand der Patentgesetzgebung in Preußen und in Deutschland seit geraumer
Zeit laut geworden sind, erachtet es die königlich preußische Regierung für
geboten, die Erwägung, was infolge jener Verfassungsbestimmung einzuleiten
sein möchte, nicht länger hinauszuschieben. Dabei kann jedoch nach dem Stand-
punkte, den sie schon seit längerer Zeit zu der Sache eingenommen hat, nicht
*) Die Arbeit erschien unter dem Titel „Stenographische Berichte über die Verhand-
lungen des Ausschusses des Bundesrats des Norddeutschen Bundes für Handel und Ver-
kehr, betreffend die Enquete über das Hypothekenbankwesen. Vom 13. März bis 19. Juni
1868.“ Verlag der Deckerschen Hofbuchhandlung. Preis 1 Thlr. 10 Sgr. Agl. über
diese Enquete auch mein Werk: „Aktenstücke zur Wirtschaftspolitik des Fürsten Bismarck"
Bd. I., S. 116 ff. und den Aufsatz in der „National-Ztg.“ Nr. 423 und 425 vom 10.
und 11. September 1868: „Der Realkredit vor dem Ausschuß des Bundesrats.“
*“) Es ist dies die einzige Vorlage Bismarcks an den Bundesrat aus der Session 1868,
von der Horst Kohl Kenntnis hat (Bogl. dessen Bismarck-Regesten, Bd. I. S. 357. — Ein
Auszug aus der Vorlage befindet sich in der „National-Ztg.“ Nr. 11 vom 8. Januar
1869; vgl. auch die Serie von Artikeln „Zur Patentfrage“ in derselben Zeitung Nr. 37, 61,
vom 31. Januar und 6. Februar 1869.