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umgangen werden, zunächst über die Vorfrage eine Entscheidung zu treffen, ob
überhaupt für die Zukunft innerhalb des Bundesgebiets noch ein Patentschutz
gewährt werden soll. Bei den vielfachen Erörterungen über die Grundprinzipien
des Patentwesens, welche in den letzten Dezennien infolge der wiederholten Ver—
suche einer legislativen Neugestaltung desselben, insbesondere auch infolge der
desfallsigen Verhandlungen bei der vormaligen deutschen Bundesversammlung
stattgefunden haben, ist die Frage über die Entbehrlichkeit der Patente immer
entschiedener in den Vordergrund getreten. Die preußische Regierung fand sich,
nachdem sie darüber die gutachtlichen Aeußerungen der Handelskammern und
der kaufmännischen Korporationen eingezogen, veranlaßt, schon in ihrer in der
Bundestagssitzung vom 31. Dezember 1863 abgegebenen Erklärung über die
von der Bundeskommission aufgestellten Entwürfe dem Zweifel Ausdruck zu
geben, ob unter den gegenwärtigen Zeitverhältnissen die Erfindungspatente noch
als eine für die Gewerbsamkeit notwendige oder wohlthätige Einrichtung betrachtet
werden können.
Die königlich preußische Regierung hat diese Frage neuerdings wiederholter
und eingehender Erwägung unterworfen und glaubt dieselbe aus den in Nach-
stehendem dargelegten Gründen verneinen zu müssen:
Vom theoretischen Standpunlte aus darf es als anerkannt gelten, daß
die Gewährung eines Exklusivrechts für die Ausbeutung gewerblicher Erfindungen
weder durch ein vom Staate zu schützendes natürliches Recht des Erfinders
geboten, noch aus der Konsequenz allgemeiner wirtschaftlichen Grundsätze abzu-
leiten ist.
Das Recht, andern die Herstellung gewisser Gewerbserzeugnisse oder die
Anwendung bestimmter vorteilhaften Produktionsweisen und Hilfsmittel zu unter-
sagen, enthält an sich einen Eingriff in die natürliche Freiheit aller, sich bei
Ausübung ihres Gewerbes jedes sich darbietenden erlaubten Vorteils zu bedienen
und bildet gegenüber dem sonst herrschenden Bestreben, innerhalb desselben Wirt-
schaftsgebiets die gewerbliche Produktion von künstlichen Ungleichheiten zu befreien,
eine Singularität, deren Aufrechterhaltung den Nachweis eines besonderen inneren
Rechtfertigungsgrundes und zugleich einer dem Zweck entsprechenden praktischen
Durchführbarkeit erfordert. In beiden Beziehungen sind nach den heutigen Ver-
hältnissen die gewichtigsten Einwendungen zu erheben.
Dem in ersterer Hinsicht besonders geltend gemachten Argument, daß die
Gewährung eines temporären Exklusivrechts unentbehrlich sei, um gegenüber
der sonst eintretenden Konkurrenz dem verdienstvollen Erfinder einen im billigen
Verhältnisse zu dem aufgewandten Maße an geistiger Arbeit, Auslagen und
Risiko stehenden Lohn insoweit zu sichern, daß es dem Erfindungsgeist an der
darin liegenden Aufmunterung nicht fehle, ist entgegenzuhalten, daß die in
neuerer Zeit so außerordentlich fortgeschrittene Entwicklung des Verkehrs, welche
für reelle Leistungen einen ausgedehnten Markt hergestellt hat und es den