Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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umgangen werden, zunächst über die Vorfrage eine Entscheidung zu treffen, ob 
überhaupt für die Zukunft innerhalb des Bundesgebiets noch ein Patentschutz 
gewährt werden soll. Bei den vielfachen Erörterungen über die Grundprinzipien 
des Patentwesens, welche in den letzten Dezennien infolge der wiederholten Ver— 
suche einer legislativen Neugestaltung desselben, insbesondere auch infolge der 
desfallsigen Verhandlungen bei der vormaligen deutschen Bundesversammlung 
stattgefunden haben, ist die Frage über die Entbehrlichkeit der Patente immer 
entschiedener in den Vordergrund getreten. Die preußische Regierung fand sich, 
nachdem sie darüber die gutachtlichen Aeußerungen der Handelskammern und 
der kaufmännischen Korporationen eingezogen, veranlaßt, schon in ihrer in der 
Bundestagssitzung vom 31. Dezember 1863 abgegebenen Erklärung über die 
von der Bundeskommission aufgestellten Entwürfe dem Zweifel Ausdruck zu 
geben, ob unter den gegenwärtigen Zeitverhältnissen die Erfindungspatente noch 
als eine für die Gewerbsamkeit notwendige oder wohlthätige Einrichtung betrachtet 
werden können. 
Die königlich preußische Regierung hat diese Frage neuerdings wiederholter 
und eingehender Erwägung unterworfen und glaubt dieselbe aus den in Nach- 
stehendem dargelegten Gründen verneinen zu müssen: 
Vom theoretischen Standpunlte aus darf es als anerkannt gelten, daß 
die Gewährung eines Exklusivrechts für die Ausbeutung gewerblicher Erfindungen 
weder durch ein vom Staate zu schützendes natürliches Recht des Erfinders 
geboten, noch aus der Konsequenz allgemeiner wirtschaftlichen Grundsätze abzu- 
leiten ist. 
Das Recht, andern die Herstellung gewisser Gewerbserzeugnisse oder die 
Anwendung bestimmter vorteilhaften Produktionsweisen und Hilfsmittel zu unter- 
sagen, enthält an sich einen Eingriff in die natürliche Freiheit aller, sich bei 
Ausübung ihres Gewerbes jedes sich darbietenden erlaubten Vorteils zu bedienen 
und bildet gegenüber dem sonst herrschenden Bestreben, innerhalb desselben Wirt- 
schaftsgebiets die gewerbliche Produktion von künstlichen Ungleichheiten zu befreien, 
eine Singularität, deren Aufrechterhaltung den Nachweis eines besonderen inneren 
Rechtfertigungsgrundes und zugleich einer dem Zweck entsprechenden praktischen 
Durchführbarkeit erfordert. In beiden Beziehungen sind nach den heutigen Ver- 
hältnissen die gewichtigsten Einwendungen zu erheben. 
Dem in ersterer Hinsicht besonders geltend gemachten Argument, daß die 
Gewährung eines temporären Exklusivrechts unentbehrlich sei, um gegenüber 
der sonst eintretenden Konkurrenz dem verdienstvollen Erfinder einen im billigen 
Verhältnisse zu dem aufgewandten Maße an geistiger Arbeit, Auslagen und 
Risiko stehenden Lohn insoweit zu sichern, daß es dem Erfindungsgeist an der 
darin liegenden Aufmunterung nicht fehle, ist entgegenzuhalten, daß die in 
neuerer Zeit so außerordentlich fortgeschrittene Entwicklung des Verkehrs, welche 
für reelle Leistungen einen ausgedehnten Markt hergestellt hat und es den
	        
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