— 157 —
Gewerbetreibenden ermöglicht, jeden Produktionsvorteil durch Erweiterung des
Absatzes rasch zu verwerten, im großen und ganzen denjenigen, welche nützliche
Erfindungen zuerst anwenden, einen Vorsprung vor ihren Konkurrenten gewährt,
ausreichend, um ihnen in dem Maße, wie sie nützlich sind, selbst dann, wenn
die dauernde Geheimhaltung nicht möglich ist, einen zeitweiligen Extragewinn
zu sichern. In diesem besonderen Vorteil, welchen die erste Anwendung und
Ausbeutung eines neuen Gedankens mit sich bringt, haben auch sonst im wirt-
schaftlichen Leben diejenigen ihren Lohn zu suchen, welchen es durch Scharfsinn
und Strebsamkeit gelingt, Mittel aufzufinden, um vorhandene Bedürfnisse billiger
und besser als vorher zu befriedigen, und denen dafür Monopole nicht eingeräumt
werden.
Ganz besonders aber fallen die praktischen Schwierigkeiten ins Gewicht,
welche sich jedem Versuche, dem anerkannt mangelhaften Zustande des Patent-
wesens eine befriedigendere Gestalt zu geben, entgegenstellen.
Daß es bei dem Vorprüfungsverfahren, wie es in Preußen besteht, nicht
verbleiben könne, ist eine unter den Verteidigern des Patentschutzes sehr allge-
mein verbreitete Ueberzeugung, und sie wird durch langjährige Erfahrung der
in Preußen mit der Entscheidung in Patentsachen und mit der Vorprüfung
beauftragten Behörden auf das entschiedenste bestätigt. Obwohl mit einem
vergleichsweise vorzüglichen Hilfsapparat ausgestattet, mußte die preußische tech-
nische Deputation für Gewerbe doch schon im Jahre 1853 (vgl. Preuß. Handels-
archiv von 1854, Bd. II., S. 173 ff.) die Aufgabe, festzustellen, ob ein zur
Patentirung vorgelegter Gegenstand nicht bereits irgendwo ausgeführt oder
bekannt gemacht worden, als eine beinahe unlösbare anerkennen. Seitdem ist
die Masse des zu beherrschenden Stoffes alljährlich in steigender Proportion
angewachsen. Indes liegt die Schwierigkeit nicht allein in der Unübersehbarkeit
des vorhandenen Materials; sie liegt auch in der Durchführung fester Prinzipien
in Bezug auf die Kriterien der Neuheit. Soll die Vorprüfung nicht ihre eigent-
liche Bedeutung verlieren, indem man als patentfähig jede Neuerung in der
Konstruktion, Form oder Anwendungsweise anerkennt, so gerät man gegenüber
der immer mehr sich differenzirenden Mannigfaltigkeit möglicher Kombinationen
an sich bekannter Elemente und Hilfsmittel zu veränderten Konstruktionen oder
Anwendungsweisen bei der Ausscheidung desjenigen, was als wirkliche Erfindung
zu betrachten ist, aus der Masse des Unerheblichen auf ein so unsicheres Gebiet,
daß es kaum möglich ist, dem Vorwurfe der Willkür zu entgehen. Wie lästig
die daraus erwachsende Verantwortlichkeit ist, wird täglich mehr empfunden.
Es ist dringend zu wünschen, daß die Autorität der Behörden nicht länger
durch die Stellung einer unerfüllbaren Aufgabe beeinträchtigt werde.
Aber auch der vielfach empfohlene Uebergang zum sog. Anmeldungs-
systeme würde eine mehr als scheinbare Abhilfe nicht gewähren. Abgesehen
von den gegen dasselbe zu erhebenden theoretischen Einwendungen haben seine