Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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industriellen Völker tief eingewurzelte Einrichtung handelt, der man hergebrachter 
weise einen großen Teil des Verdienstes an dem während ihres Bestehens ein— 
getretenen mächtigen Aufschwung der Gewerbsamkeit zuschreibt. Dazu tritt die 
Besorgnis, daß dasjenige Land, welches damit vorangehe, den andern gegen— 
über in erheblichen Nachteil geraten werde. 
Es kann im allgemeinen ebenso wenig bezweifelt werden, daß die Aussicht 
auf nutzbare Ausbeutung gemachter Erfindungen ein Sporn für den Erfindungs- 
geist darbietet, als daß dem zeitweilig gewährten Patentschutz die Ausbildung 
wichtiger Erfindungen zu verdanken ist. Die Erfahrung hat jedoch gelehrt, 
daß die Patente in den meisten Fällen ihren Zweck nicht erfüllen, daß sie in 
der großen Mehrzahl einen reellen Nutzen weder für den Inhaber noch für 
das Publikum zur Folge gehabt, daß der Vorteil ebenso häufig anderen als 
dem verdienten Erfinder zu gute gekommen ist. Wenn man den Aufschwung 
der Industrie durch Vervollkommnung der Technik, wie er sich in mehreren 
Ländern sehr ausgedehnten Patentschutzes vollzogen hat, vorzugsweise auf die 
durch den Patentschutz gegebene Anregung zurückführen will, so bleibt unberück- 
sichtigt, daß die großen Erfindungen der Vorzeit und ebenso die auch für die 
Industrie bahnbrechenden wissenschaftlichen Entdeckungen der neueren Zeit eines 
Anregungsmittels durch Monopolschutz nicht bedurft haben. Neben der fördernden 
Wirkung des letzteren ist in einer dem gewerblichen Fortschritte überaus günstigen 
Zeit der Nachteil nicht zu unterschätzen, daß er die rasche und fruchtbare Aus- 
bildung eines neuen Gedankens zurückhält, welche bei seiner Freigebung von 
der konkurrirenden Arbeit aller zu erwarten ist. Ob in England, Belgien, 
Frankreich und Nordamerika die Industrie vermöge sonstiger günstigen Vor- 
bedingungen nicht auch ohne Erfindungsschutz in gleicher Weise sich entwickelt 
haben würde, muß freilich dahingestellt bleiben. Gewichtig ist indes die That- 
sache, daß in der Schweiz ähnlich günstige Ergebnisse erzielt sind, ohne daß 
hier der Mangel eines solchen Hilfsmittels nachteilig empfunden würde. 
Das Beispiel dieses Landes muß auch die Besorgnis abschwächen, daß 
durch Abschaffung der Patente die einheimische Industrie der ausländischen 
gegenüber einen Nachteil erleiden werde. Will man in Deutschland dazu 
schreiten, so kann man allerdings sich nicht verhehlen, daß man damit voraus- 
sichtlich, wenigstens für eine gewisse Zeit, allein stehen wird. Daß die in 
Frankreich und England begonnene Agitation in demselben Sinne bald zum 
gleichen Ziele führen werde, ist nach dem dermaligen Stande der öffentlichen 
Meinung daselbst und bei den sehr mannigfaltigen, in dem dortigen ausgedehnten 
Patentschutzsystem engagirten Interessen kaum zu erwarten, obgleich es Beachtung 
verdient, daß man sich in beiden Ländern zu einer Neugestaltung des mit aner- 
kannten Mängeln behaftesten Systems noch nicht hat entschließen können. In 
Deutschland bestehen diese Schwierigkeiten bei weitem nicht in gleichem Grade, 
da das industrielle Publikum bei der vergleichsweise geringen Ausdehnung des
	        
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