Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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Seebach stand mit seiner Ansicht keineswegs vereinzelt da; dieselben Ge- 
fühle und Empfindungen drängten sich auch den Gesandten der anderen Bundes- 
staaten auf. Wir sehen dies am besten aus dem literarischen Nachlaß des Staats- 
ministers Dr. Sintenis. Der letztere hat keine Memoiren im gewöhnlichen Sinne 
des Wortes hinterlassen, dagegen war er sich, als er von seinem Herzog damit 
betraut wurde, als Vertreter Anhalts bei der Festsetzung des Norddeutschen 
Verfassungsentwurfs mitzuwirken, der Bedeutung dieses Kommissoriums sofort 
bewußt und berichtete während seines ganzen Berliner Aufenthaltes den Seinigen 
alles, was dieselben nur irgendwie interessiren konnte. 
Mit Hilfe aller guten Wünsche zur glücklichen Reise kam Sintenis am 
12. Dezember 1866 „ohne Anstoß" in Berlin an und fand im „Hotel de 
Russie“ das bestellte Quartier zur Befriedigung vor. Noch am selben Tage 
gibt er eine Beschreibung desselben und dann Tag für Tag eine Schilderung 
aller seiner Erlebnisse. Er berichtet über Temperatur und Wetter, wie er 
geschlafen, wo er gespeist, wie viel er verzehrt, wenn er tags über gesprochen 
hat, und all die Anfechtungen, denen seine Gesundheit bei dem Mangel des 
häuslichen Komforts ausgesetzt gewesen ist. Weitaus der größte Teil der Korre- 
spondenz wird aber durch seine politischen Erlebnisse ausgefüllt, sowie durch 
eine Beschreibung einiger offiziellen Festlichkeiten, die ihn mit den verschiedensten 
politischen Persönlichkeiten in Berührung brachten. 
Wie wir sehen werden, beklagte sich Sintenis bitter darüber, daß die 
Bevollmächtigten oft wochenlang in Berlin unthätig dasitzen mußten, daß sie 
von Preußen nicht mit der ihnen gebührenden Rücksicht behandelt würden, und 
daß Preußen schließlich ihre Vota nur insoweit berücksichtigte, als ihm dies gut 
dünkte. Ich möchte hier vorweg bemerken, daß Preußen die Absicht, die Ver- 
treter der Bundesstaaten zu verletzen, jedenfalls ganz fern gelegen hat. Wenn 
die Verhandlungen schleppend geführt wurden und die nach Berlin gesandten 
Minister dort ungebührlich lange zum Nichtsthun verurteilt wurden, so lag die 
Schuld auch nicht an Bismarck, sondern an Herrn v. Savigny, der, wie mir 
auch von anderer Seite versichert worden ist, der Aufgabe eines Leiters der 
Ministerkonferenzen entschieden nicht gewachsen war. Die Delegirten übersahen 
außerdem sicher den komplizirten Weg, den ihre Desiderien durchzumachen hatten, 
bis Savigny im stande war, sich definitiv zu den zahlreichen einzelnen Amen- 
dements zu äußern. Erst gingen sie zur Kognition der preußischen Ressort- 
minister, dann hatte das Staatsministerium und Bismarck darüber zu befinden, 
und demnächst war die Entschließung des Königs einzuholen, der bei seiner 
bekannten Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit noch oft Rückfragen stellte und 
einzelne Punkte näher aufgeklärt wissen wollte. Ueber alles dies konnten leicht 
Wochen vergehen, die allerdings den Ministern der fremden Staaten, denen 
die Arbeit zu Hause auf den Nägeln brannte, als ein wahres Martyrium 
erschienen.
	        
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