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zwar die Staatsangehörigkeit als die Unterlage der Bundesangehörigkeit behan—
delte, die Bestimmung über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit aber
nicht den einzelnen Staaten überließ, sondern durch die Bundesgesetzgebung
gleichmäßig für alle Staaten feststellte. Der Ausschuß war daher prinzipiell
und im ganzen mit der Vorlage einverstanden, änderte dieselbe aber in acht
Paragraphen ab.)
Im Plenum des Bundesrats fand dieser Ausschußbericht aber keinen
Anklang; derselbe verwarf fast alle Ausschußanträge, wie der Wortlaut des
nachmaligen Gesetzes vom 1. Juni 1870 (B.-G.-Bl. S. 355) des näheren er-
sehen läßt.
Unterstützungswohnsitz. Im Februar 1869 wurde von Bismarck
*) Mit Rücksicht auf die Verhältnisse in Hessen war der Ausschuß in seiner Majorität
der Ansicht, ausdrücklich im Gesetze zu erklären, daß Angehörige im Großberzogtum Hessen
die Bundesangehörigkeit nur dann besitzen, wenn sie in den zum Bunde gehörigen hessischen
Gebietsteilen heimatsberechtigt sind. Es wurde die Frage angeregt, ob neben dem gemein-
samen Indigenate von Naturalisation der Angehörigen eines Bundesstaates in einem
anderen Bundesstaate überhaupt noch die Rede sein könne, ob sie nicht mit dem Begriffe
des gemeinsamen Indigenats unverträglich ist. Diese Ansicht fand keinen Anklang. Die
Meinungen über eine andere Frage, ob der Artikel 3 der Bundesverfassung, indem er die
Erlangung des Staatsbürgerrechts unter den in dem gemeinsamen Indignat enthaltenen
Besugnissen aufzählte, für die Bundesangehörigen ein Recht auf die Naturalisation in
jedem andern Bundesstaat begründet hatte, blieben im Ausschusse geteilt. Auch weitere
Bedenken wurden aufgeworfen, welche in verschiedenen Anträgen Ausdruck fanden. Zuletzt
einigte sich der Ausschuß in Erwägung, daß dieselben Bedingungen, unter denen die
Naturalisationsurkunde erteilt werden darf, dem Bundesangehörigen einen Anspruch auf
die Erteilung der Naturalisationsurkunde gewähren sollen, dahin, die beiden §§ 7 und 8
der Vorlage in einen § 8 zu kombiniren und § 7 zu streichen. — Die Vorlage stellte die
Aufnahme in den durch Bestallung erfolgten Staatsdienst (den mittelbaren wie den unmittel-
baren) der Naturalisationsurkunde gleich. Der Ausschuß erweiterte die Bestimmung dahin,
daß der mittelbare Staatsdienst auch den Kirchen-, Schul= und Kommunaldienst umfassen
soll. Um den Fall zu berücksichtigen, wo ein Ausländer, der in den Dienst eines nord-
deutschen Staates tritt, seine frühere Staatsangehörigkeit gern aufrecht erhalten möchte,
dieselbe aber nach seinen heimatlichen Gesetzen durch den Erwerb einer andern Staats-
angehörigkeit verlieren würde, beschloß der Ausschuß, daß in der Vorlage bestimmt werde,
an den Eintritt in den Staatsdienst knüpfe sich kein Erwerb der Staatsangehörigkeit, wenn
dies bei der Verleihung des Amtes in der Bestallung ausdrücklich vorbehalten ist. —
Einer der letzten Paragraphen der Vorlage traf Bestimmungen über den Verlust der Staats-
angehörigkeit durch Aufenthalt im Auslande und Zeitablauf. Hierzu beschloß der Aus-
schuß, 1) den Verlust der Staatsangehörigkeit bei Norddeutschen, welche das Bundesgebiet
länger als 10 Jahre verlassen haben, auch auf die Ehefrau und die unter väterlicher
Gewalt stehenden minorennen Kinder, soweit sie sich bei- dem Ehemanne resp. Vater
befinden, auszudehnen, 2) daß Norddeutschen, welche durch solch langen Aufenthalt im
Auslande die Bundesangehörigkeit verloren und keine andere Staatsangehörigkeit erworben
haben, die Staatsangehörigkeit in dem früheren Heimatsstaate wieder verliehen werden kann,
auch ohne daß sie sich in letzterem niederlassen.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. I. 14