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nichts zu erinnern.“) Am Schlusse stimmten Sachsen, Hessen und Bremen auch
gegen die im konservativen Geiste amendirte Vorlage, während Mecklenburg mit
Preußen, Anhalt und Meiningen sie wenigstens in dieser verstümmelten Gestalt
durchbringen half. Die Bevollmächtigten der drei letzteren Staaten fügten sich
den Amendements, um nur überhaupt zu einem Ergebnis zu gelangen.
In der Sitzung des Bundesrats vom 23. April 1869 erklärten zunächst die
Bevollmächtigten für Hessen, Mecklenburg und Hamburg: Nach § 7 des Frei-
zügigkeitsgesetzes finde im Falle der Ausweisung hilfsbedürftiger Personen aus
einem Bundesstaate in den andern das im Gothaer Vertrage vom 15. Juli 1851
und dessen Ergänzungen vorgeschriebene Verfahren auch gegenwärtig noch An-
wendung. Nach Ansicht der von ihnen vertretenen Regierungen empfehle es
sich, dies Verfahren in einer dem Bundesverhältnisse mehr entsprechenden Weise
zu regeln. Dagegen walte zu sonstigen Aenderungen der Armengesetzgebung der
Einzelstaaten durch ein Bundesgesetz ihres Erachtens ein Bedürfnis nicht ob.
Ihr Antrag gehe deshalb dahin, den Inhalt des vorliegenden Entwurfes auf
formelle, den Gothaer Vertrag ersetzende Vorschriften zu beschränken.
Odbgleich dieser Antrag mit 22 gegen 21 Stimmen abgelehnt wurde, einigte
sich der Bundesrat doch dahin, von einer Detailberatung sowohl der Präsidial-
vorlage als auch des vom Ausschusse aufgestellten Gesetzentwurfs abzusehen und
sich für jetzt auf die Entscheidung einzelner prinzipiell besonders wichtigen Fragen
zu beschränken, deren Beantwortung eventuell die Umarbeitung des Entwurfs
nötig machen würde. Diese Fragen wurden dann gestellt, doch bei ihrer Ent-
scheidung meist auch nur eine Majorität von 22 gegen 21 Stimmen erzielt.
Nachdem die Bevollmächtigten für Hessen und Mecklenburg erklärt hatten,
daß nach Ansicht ihrer Regierungen der vorliegende Gesetzentwurf teilweise eine
Abänderung der im Art. 3 der Verfassung festgestellten Bestimmungen enthalte
und derselbe daher nach Art. 78 nicht durch einfache Majorität zum Beschluß
erhoben werden könne, und nachdem der Bevollmächtigte für Mecklenburg
beantragt hatte, durch Abstimmung festzustellen, ob hier eine nach Art. 78 der
Verfassung zu entscheidende Frage vorliege, einigte sich der Bundesrat dahin, daß
die vorhergehenden Verhandlungen, in denen nur gewisse Grundsätze für die
künftige Vorlage aufgestellt seien, bindende Beschlüsse über diese Vorlage selbst
noch nicht enthalten sollten. Infolge dessen war der mecklenburgische Bevoll-
mächtigte bereit, auf die vorläufige Aussetzung der von ihm beantragten Ab-
stimmung einzugehen.
In der folgenden Sitzung des Bundesrats (vom 26. April) erklärte als-
dann Präsident Delbrück, die oben erwähnten Abstimmungen hätten ergeben,
daß der größere Teil der Bundesregierungen zur Zeit Bedenken trage, auf eine
*) Zu vgl. über die Ausschußverhandlungen die „National-Zeitung“ Nr. 139 vom
20. März 1869, Nr. 140 vom 24. März 1869, Nr. 145 vom 28. März 1869, Nr. 149
vom 1. April 1869.