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aber aus sieben hervorragenden norddeutschen Juristen bestehende Kommission
zusammentreten. Die zu Mitgliedern derselben geeigneten Persönlichkeiten sollten
von der Justizkommission des Bundesrats bezeichnet werden. Als Anfangs-
termin für die erwähnten kommissarischen Beratungen war der Beginn des Monats
Oktober in Aussicht genommen. Diese Beratungen sollten womöglich noch vor
Jahresschluß zu Ende geführt werden, damit dem Reichstag in seiner nächsten
Session der Entwurf eines gemeinsamen Strafgesetzbuches vorgelegt werden
könnte. Der Bundesrat beschloß auf den Antrag des Ausschusses für das
Justizwesen die Bildung einer Spezialkommission von sieben Mitgliedern. Die
Kommission wurde am 1. Oktober 1869 im Bundeskanzler-Amt durch den
königl. preußischen Justizminister Dr. Leonhardt als Vorsitzenden eröffnet.
Nachdem der Vorsitzende die Mitglieder der Kommission, nämlich: den preußischen
Geheimen Ober-Justizrat Dr. Friedberg, den preußischen Appellationsgerichtsrat
Bürgers, den preußischen Rechtsanwalt und Justizrat Dorn, den sächsischen
Generalstaatsanwalt Dr. Schwarze, den großherzoglich mecklenburgischen Ober-
appellationsgerichtsrat Dr. Budde und den Senator der freien Hansestadt Bremen
Dr. Donandt, begrüßt hatte, machte derselbe zuvörderst Mitteilung von folgen-
dem an ihn gerichteten Schreiben des Bundeskanzlers, d. d. Varzin, den
24. September 1869:
„Aus Eurer Excellenz gefälligsm Schreiben vom 18. vorigen Monats habe
ich mit lebhaftem Interesse ersehen, daß die Beratung des Entwurfs eines
Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund durch die vom Bundesrate ge-
wählte Kommission am 1. kommenden Monats beginnen wird.
„Daß es mir nicht vergönnt ist, die Herren Mitglieder der Kommission bei
ihrem ersten Zusammentreten persönlich zu begrüßen, bedaure ich um so mehr,
je höher ich die Aufgabe stelle, zu deren Lösung sie berufen sind. Der Erlaß
eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund ist ein so bedeutungsvoller
Schritt zur Herstellung eines gemeinsamen öffentlichen Rechts im gesamten
Bundesgebiete und bildet eine so notwendige Ergänzung anderer Bundesein-
richtungen, daß jeder, dem die organische Entwicklung des Bundes am Herzen
liegt, die Beratungen der Kommission nur mit seinen lebhaftesten Wünschen begleiten
kann. Für einen günstigen Erfolg dieser Beratungen bürgt die Zusammsetzung
der Kommission unter Eurer Excellenz Leitung, und ich bin gewiß, mit den zu
derselben berufenen ausgezeichneten Männern in der Ueberzeugung zusammen-
zutreffen, daß ein Teil des Erfolges von einem raschen Abschluß der Beratungen
abhängt. Der Bundesrat ist bei dem Beschlusse, auf Grund dessen die Kom-
mission berufen ist, von diesem Gesichtspunkte ausgegangen, indem er den
Jahresschluß für den Abschluß der Arbeit in Aussicht nahm, und ich gebe mich
der Hoffnung hin, daß es der ersten Legislaturperiode des Bundes vorbehalten
sein wird, ein gemeinsames Strafgesetzbuch zu stande zu bringen.