Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

— 226 — 
Abschied zu nehmen, so ersuche Eure Excellenz ich ganz ergebenst, denselben von 
Vorstehendem gefälligst Kenntnis gegen zu wollen. 
Der Kanzler des Norddeutschen Bundes. 
Graf v. Bismarck.“ 
Errichtung eines Bundes-Oberhandelsgerichts. Von seiten der 
königl. sächsischen Regierung wurde die Errichtung eines obersten Gerichts- 
hofes für Handelssachen beantragt. Die Begründung eines solchen Tribunals 
wurde auch früher schon mehrfach angeregt. Man betrachtete diese Einrichtung 
als den Schlußstein einer gemeinsam deutschen Gesetzgebung über das Handels= und 
das Wechselrecht. Nachdem die Verkündigung des allgemeinen deutschen Handels- 
gesetzbuches und der allgemeinen deutschen Wechselordnung als Bundesgesetze in 
nahe Aussicht getreten war, besorgte man Uebelstände, wenn diese Gesetze von 
den obersten Gerichtshöfen der Einzelstaaten verschiedene Auslegungen erführen. 
Nach der Vorlage sollte der Gerichtshof in Leipzig, als einem inmitten 
Deutschlands gelegenen wichtigen Handels= und Verkehrsplatze, seinen Sitz er- 
halten und aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und der erforderlichen 
Anzahl von Räten bestehen. Die Mitglieder desselben sollten auf Vorschlag 
des Bundesrats vom Bundespräsidium ernannt werden, als unmittelbare 
Bundesbeamte gelten und aus der Bundeskasse ihr Gehalt beziehen. Der 
neue Gerichtshof sollte für jeden Bundesstaat in Handelssachen an die Stelle 
des obersten Gerichtshofes treten, welcher für diesen Staat die aus der untern 
Instanz kommenden Sachen endogiltig zu entscheiden hatte. Urteile in dritter 
Instanz durch Spruchkollegien oder Juristenfakultäten sollten bei Handelssachen 
im Bereiche des Norddeutschen Bundes nicht mehr Platz greifen.“) 
Der Ausschuß des Bundesrats für Justizwesen hatte bei der Vorberatung 
der Vorlage besonders die Fragen der Kompetenz und der Opportunität zu 
prüfen; die Majorität, bestehend aus Preußen, Königreich Sachsen, Coburg- 
Gotha, Schwarzburg, entschied dieselben in einem der Vorlage günstigen Sinne. 
Die Motive, welche die Majorität in der Frage der Opportunität bestimmten, 
waren folgende: 
Die einheitliche Gestaltung des Wechsel= und Handelsrechts war zwar ein 
Gewinn für Deutschland, aber die Geltung dieser einheitlichen Institutionen 
blieb eine unvollkommene, wie dies die Notwendigkeit der Vorlage wegen Ein- 
führung der deutschen Wechselordnung und des Handelsgesetzbuches als Bundes- 
gesetze (siehe oben S. 222) schlagend darthat. Hat dieser letztere Entwurf 
Gesetzeskraft erlangt, so wird die Gemeinsamkeit des Wechsel= und Handels- 
rechts innerhalb des Bundesgebiets unzweifelhaft in hohem Grade vervoll- 
ständigt, aber eine die ernsteste Beachtung verdienende Unvollkommenheit wird 
*) Stimmen der Presse über diesen Antrag in der „National-Zeitung“ Nr. 119 vom 
12. März 1869.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.