Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

Im Ausschuß des Bundesrats für Justizwesen, welchem vorstehender An- 
trag überwiesen wurde, waren die Meinungen geteilt. Die Majorität hielt 
den Antrag nicht für geeignet, empfohlen zu werden, die Minorität dagegen 
empfahl ihn der Berücksichtigung. Sie stützte sich dabei auf ihr schon in dem 
Bericht über den Gesetzentwurf wegen Errichtung eines obersten Gerichtshofes 
für Handelssachen abgegebenes Gutachten, daß sie es für viel weniger bedenk- 
lich erachten würde, die gesamte Jurisdiktion der höchsten Landesgerichte in 
einem obersten Bundesgerichte zusammenzufassen, als durch Errichtung eines auf 
Handelssachen sich beschränkenden Gerichtshofes das Handelsrecht aus seiner 
natürlichen Verbindung mit dem Ziovilrecht herauszureißen. Die Minorität 
empfahl auch jetzt noch, daß auf Erweiterung dieses obersten Handelsgerichtes 
zu einer allen Bundesstaaten gemeinsamen höchsten Instanz für alle Zivil= und 
Kriminalsachen Bedacht genommen werde. Die Majorität dagegen hielt den 
hamburgischen Vorschlag für unausführbar, so lange nicht für den ganzen 
Bund ein einheitlich-materielles und prozessuales Recht gewonnen sei, und 
der Bundesrat trat dieser letzteren Auffassung bei.) 
Ausdehnung der Bundesgesetzgebung auf das gesamte bürger- 
liche Recht. Auf die Beschlüsse des Reichstags, die Kompetenz der 
Bundesgesetzgebung auf das gesamte bürgerliche Recht und die Gerichts- 
organisationen auszudehnen (Antrag Miquel-Lasker) und einen einheitlichen 
Volljährigkeitstermin für das ganze Gebiet des Norddeutschen Bundes fest- 
zusetzen (Antrag v. Hagke), ging der Bundesrat nicht ein. Der lübeckische 
Bevollmächtigte erklärte zur Motivirung seiner Abstimmung für den Reichstags- 
beschluß; „Abgesehen davon, daß die Bundesgesetzgebung es in ihrer fort- 
schreitenden Entwicklung gar nicht wird vermeiden können, in die bürgerliche 
Gesetzgebung einzugreifen, kommt in Betracht, daß durch den mit dem Reichs- 
tage vereinbarten Beschluß über die Errichtung eines Oberhandelsgerichts 
eine Lage geschaffen ist, welche es zur unabweislichen Notwendigkeit macht, 
auch andere Teile des bürgerlichen Rechts, als das der Bundesgesetzgebung 
unterstehende Obligationenrecht, in den Kreis der Bundeskompetenz zu ziehen. 
Schon bei den Verhandlungen über das Oberhandelsgericht ist hervorgehoben, 
daß dieser Gerichtshof die Quelle seiner Entscheidungen nur zu geringerem 
Teile aus dem Handelsgesetzbuche und Wechselrechte zu entnehmen vermag, zu 
größerem Teile aber auf das von dem Handelsrechte unlösbare Zivilrecht hin- 
gewiesen ist. Es wird demnach nicht zu leugnen sein, daß der Mangel ein- 
heitlicher Grundsätze in Bezug auf das geltende bürgerliche Recht die Judikatur 
des Oberhandelsgerichts erschweren und die Wirksamkeit dieser Bundesinstitution 
*) Infolge dessen war es für die Hansestädte nötig geworden, sich darüber zu ver- 
ständigen, welcher Einfluß der Errichtung des Oberhandelsgerichts auf die künftige Gestaltung 
ihrer dritten Instanz beizumessen sei. Ueber die betreffenden Verhandlungen vgl. die 
„National-Zeitung“ Nr. 340 vom 24. Juli 1869. ·
	        
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