Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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erheblich beeinträchtigen muß. Wenn hierbei keineswegs verkannt werden soll, 
daß es im Zivilrechte einzelne Materien gibt, welche sich durch ihre Natur der 
einheitlichen Regelung entziehen, und wenn demnach der Bevollmächtigte in dem 
vom Reichstage beschlossenen Gesetzentwurfe die Streichung des Wortes „ge- 
samte“" nur empfehlen konnte, so glaubt er doch im übrigen diesen Entwurf 
als die notwendige Konsequenz des Beschlusses über Errichtung eines Ober- 
handelsgerichts auffassen zu müssen. 
Die Ausdehnung der Reichskompetenz auf das gesamte bürgerliche Recht 
erfolgte erst durch das Gesetz vom 20. Dezember 1873 (R.-G.-Bl. S. 379). 
Beschlagnahme von Arbeits= und Dienstlöhnen. Im Jahre 1868 
hatte der Reichstag eine Resolution gefaßt auf Vorlage eines Gesetzentwurfs, 
betreffend das unbedingte Verbot jeder Beschlagnahme noch nicht verdienter 
Arbeits= und Dienstlöhne im Exekutions= und Arrestwege. Diese Resolution 
war von Bismarck der Kommission für Ausarbeitung des Entwurfs einer 
Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten des Bundes zur legislativen 
Formulirung überwiesen worden. Zu Anfang des Jahres 1869 legte Bismarck 
dem Bundesrat das aus den Beratungen dieser Kommission hervorgegangene 
Gesetz vor,) mit dessen Inhalt sich der Bundesrat einverstanden erklärte. 
Gesetz vom 21. Juni 1869 (B.-G.-Bl. S. 242). 
Haftpflicht. Der mit Prüfung dieser, aus der vorigen Session über- 
nommenen Materie *"*) beauftragte Bundesratsausschuß für Justizwesen konnte 
es sich nur zur Erwägung stellen, ob es sich, um den anerkannten Mängeln 
des bestehenden Rechts abzuhelfen, empfehlen würde, eine generelle Reform der 
Vorschriften über den Ersatz des verursachten Schadens zu veranlassen, oder 
ob es zweckmäßiger sein würde, das zu erlassende Gesetz auf diejenigen Unter- 
nehmungen zu beschränken, welche mit ungewöhnlicher Gefahr für Menschen- 
leben verbunden sind. Der Ausschuß sprach sich einstimmig für letztere Ansicht 
aus, da durch die generelle Reform der Grundsätze über den Schadenersatz die 
Lehre von der Verschuldung und der sich daran knüpfenden Deliktsobligationen, 
mithin ein wichtiger Abschnitt aus dem allgemeinen wie aus dem besonderen 
Teile des Obligationenrechts vorweggenommen werden, eine so weit gesteckte Auf- 
gabe indessen nur in Verbindung mit dem ganzen System des Obligationen- 
rechts zu lösen sein würde. Wenn daher der Ausschuß zurzeit die Aufgabe 
des Bundes nur darin erkennen konnte, im Wege eines Spezialgesetzes Be- 
stimmungen zu treffen, um denjenigen, welche bei mit ungewöhnlicher Gefahr 
verbundenen Unternehmungen widerrechtlich an Leib und Leben beschädigt werden, 
bezw. ihren Hinterbliebenen einen Ersatz des erlittenen Schadens zu sichern, so 
*) „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 48 vom 26. Februar 1869. 
*“) Vgl. oben S. 167.
	        
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