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erheblich beeinträchtigen muß. Wenn hierbei keineswegs verkannt werden soll,
daß es im Zivilrechte einzelne Materien gibt, welche sich durch ihre Natur der
einheitlichen Regelung entziehen, und wenn demnach der Bevollmächtigte in dem
vom Reichstage beschlossenen Gesetzentwurfe die Streichung des Wortes „ge-
samte“" nur empfehlen konnte, so glaubt er doch im übrigen diesen Entwurf
als die notwendige Konsequenz des Beschlusses über Errichtung eines Ober-
handelsgerichts auffassen zu müssen.
Die Ausdehnung der Reichskompetenz auf das gesamte bürgerliche Recht
erfolgte erst durch das Gesetz vom 20. Dezember 1873 (R.-G.-Bl. S. 379).
Beschlagnahme von Arbeits= und Dienstlöhnen. Im Jahre 1868
hatte der Reichstag eine Resolution gefaßt auf Vorlage eines Gesetzentwurfs,
betreffend das unbedingte Verbot jeder Beschlagnahme noch nicht verdienter
Arbeits= und Dienstlöhne im Exekutions= und Arrestwege. Diese Resolution
war von Bismarck der Kommission für Ausarbeitung des Entwurfs einer
Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten des Bundes zur legislativen
Formulirung überwiesen worden. Zu Anfang des Jahres 1869 legte Bismarck
dem Bundesrat das aus den Beratungen dieser Kommission hervorgegangene
Gesetz vor,) mit dessen Inhalt sich der Bundesrat einverstanden erklärte.
Gesetz vom 21. Juni 1869 (B.-G.-Bl. S. 242).
Haftpflicht. Der mit Prüfung dieser, aus der vorigen Session über-
nommenen Materie *"*) beauftragte Bundesratsausschuß für Justizwesen konnte
es sich nur zur Erwägung stellen, ob es sich, um den anerkannten Mängeln
des bestehenden Rechts abzuhelfen, empfehlen würde, eine generelle Reform der
Vorschriften über den Ersatz des verursachten Schadens zu veranlassen, oder
ob es zweckmäßiger sein würde, das zu erlassende Gesetz auf diejenigen Unter-
nehmungen zu beschränken, welche mit ungewöhnlicher Gefahr für Menschen-
leben verbunden sind. Der Ausschuß sprach sich einstimmig für letztere Ansicht
aus, da durch die generelle Reform der Grundsätze über den Schadenersatz die
Lehre von der Verschuldung und der sich daran knüpfenden Deliktsobligationen,
mithin ein wichtiger Abschnitt aus dem allgemeinen wie aus dem besonderen
Teile des Obligationenrechts vorweggenommen werden, eine so weit gesteckte Auf-
gabe indessen nur in Verbindung mit dem ganzen System des Obligationen-
rechts zu lösen sein würde. Wenn daher der Ausschuß zurzeit die Aufgabe
des Bundes nur darin erkennen konnte, im Wege eines Spezialgesetzes Be-
stimmungen zu treffen, um denjenigen, welche bei mit ungewöhnlicher Gefahr
verbundenen Unternehmungen widerrechtlich an Leib und Leben beschädigt werden,
bezw. ihren Hinterbliebenen einen Ersatz des erlittenen Schadens zu sichern, so
*) „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ Nr. 48 vom 26. Februar 1869.
*“) Vgl. oben S. 167.